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2006/4 Elektronisches Publizieren – Informationsspezialisten als Mittler zwischen zwei Welten

Befreit die Maus! Vor- und Nachteile des Creative-Common-License-Projekts

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Die gegenwärtigen Bestrebungen der Juristen, digitale Inhalte und deren Schutz in ihre Gesetze einzubeziehen, haben bei den Nutzenden nicht das gewünschte Echo gefunden. Ausgerechnet ein verlorener Gerichtsfall gegen die Walt Disney Company wegen der Verlängerung der Schutzfrist für urheberrechtlich geschützte Werke war die Geburtsstunde der etwas anderen Urheberrechte.

Vor einigen Jahren stellte die Walt Disney Company fest, dass ihr Star Mickey Mouse in die Jahre gekommen war. Zum Zeitpunkt der Jahrtausendwende war Mickey 72 Jahre alt. Ein stolzes Alter für eine Maus und ein Problem für die Firma, die sich als das «Haus der Maus» versteht. Mickey drohte der Absturz in den Papierkorb der Schutzlosigkeit: die urheberrechtliche Schutzfrist für seinen Brötchengeber drohte auszulaufen.

Seit dem Tod Walt Disneys gelang es der Firma, auch mit wiederholtem Griff in die Archive, ihre Umsätze zu erzielen und ihre Zuschauer bei Laune zu halten, um die langen Perioden zwischen neuen Kassenschlagern wie «Jungle Book» und «Lion King» zu überbrücken.

Bei der nun drohenden Schutzlosigkeit ging es jedoch nicht nur um die Filme allein, sondern auch um die Verkaufsrechte für Computerspiele, T-Shirts und Spielzeuge.

Sofort wurde die Gesetzgebungsmaschinerie in Washington in Marsch gesetzt und die bis dahin geltende Schutzfrist von 70 Jahren auf 95 Jahre verlängert.

Ein verlorener Prozess um die nachträglich verlängerten Schutz- fristen für Disney-Filme wie «Steamboat Willie» und «Schneewittchen» war der Ausgangspunkt für Lawrence Lessig, Rechtsprofessor an der Stanford University, die gegenwärtige Rechtslage im Bereich des Urheberrechts grundsätzlich zu überdenken.

Er suchte nach einer Lösung zwischen den beiden Polen: 

alle Rechte vorbehalten: © 

keine Rechte vorbehalten: 

Er formulierte eine Position zwischen diesen beiden Polen: 

einige Rechte vorbehalten:

In den USA, die über ein Urheberrecht mit grosser Regeldichte und sehr eingeschränkten Nutzerrechten verfügen, überlegte Lessig, welche Rechte der Realität für die Welt der digitalen Nutzung angepasst werden müssten. Aus diesen Überlegungen resultierte ein Musterlizenzvertrag, der den jeweiligen Bedürfnissen des Nutzers angepasst wird. Der Schöpfer eines Werks kann gemäss diesem Mustervertrag drei Punkte nach seinen Bedürfnissen regeln. Er kann dem Nutzer seines Werks das Recht geben, unter Namensnennung:

– den Inhalt zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich aufzuführen,

– Bearbeitungen anzufertigen,

– den Inhalt kommerziell zu nutzen.

Im Muster-Lizenzvertrag wurden einige Lizenzelemente definiert, bei denen der Urheber eines Werks entscheiden muss, welche Rechte er den Nutzern einräumen möchte:

– unter Namensnennung 

Rechte
Rechte
Namensnennung
Namensnennung
Weitere Symbole
Weitere Symbole

Die vertragliche Vereinbarung kann in drei Formen gefasst werden:

– als maschinenlesbarer Vertragstext in Kurzform für den Laien («Commons Deed»),

–  als für den Juristen lesbar geschriebener Vertragstext («Legal Code») und

–  als digitaler Code oder als Metadaten («Digital Code», «Metadata»), die von Suchmaschinen erkannt werden können. 

Rechtlich verbindlich ist jedoch der für die Juristen geschriebene Vertragstext. Diese vertraglichen Vereinbarungen müssen den jeweiligen Rechtssituationen in den einzelnen Ländern an- gepasst werden. Aber auch eine Anpassung an die Besonderheit des jeweiligen Werks ist vorgesehen, zum Beispiel bei einer Multimediaproduktion, die Text, Audio, Video und Bild enthält.

So wurden in der Version 2.5 des Standardlizenzvertrages eine ganze Anzahl von Standardlizenzen geschaffen (siehe Tabelle auf folgender Seite).

Zusätzlich zu diesen Standardlizenzen sind einige Spezialformen entstanden, die den Besonderheiten gewisser Werkformen Rechnung tragen, zum Beispiel den Musikwerken, oder die gewisse Besonderheiten der Rechtsordnung eines Landes berücksichtigen. Nachfolgend seien hier vier Hauptformen der Lizenzen kurz beschrieben.

Sampling-Lizenz

Die Sampling-Lizenz (angepasst an das Landesrecht der USA und von Brasilien) wurde in Zusammenarbeit mit dem Minister für Kultur und dem bekannten Musiker Gilberto Gil entwickelt.

Unter Sampling versteht man den Vorgang, einen Teil einer Musikaufnahme (ein Sample; engl. für «Auswahl», «Beispiel») in einem neuen musikalischen Kontext zu verwenden. Das Sampling ist eine häufig verwendete Technik der gegenwärtigen Popmusik. Insbesondere im Hip-Hop und in elektronischen Musikrichtungen wie Trip- Hop, Drum and Bass, Big Beat und House werden häufig Samples verwendet. Sampling wird aber auch von vielen Musikern, vor allem Keyboardern, in fast allen Musikstilen verwandt, da hiermit unter anderem die fast originalgetreue Nachahmung von Naturinstrumenten möglich ist.

Es gibt drei Varianten dieser Lizenz:

–  Sampling: (auch kommerzielles) Samplen von Teilen des Werkes ist erlaubt, Filesharing nicht.

–  Sampling Plus: Samplen von Teilen der Songs sowie nicht kommerzielles Filesharing ist erlaubt.

–  Non-commercial Sampling Plus: nicht kommerzielles Samplen und nicht kommerzielles Filesharing sind erlaubt.

Die Nutzung zu Werbezwecken wird von allen drei Varianten ausgeschlossen.

Music Sharing License

Die Music-Sharing-Lizenz erlaubt es Musikern, ihre Musik, für die sie das Copyright besitzen, für den Download, zum Filesharing und für Webcasting freizugeben. Ebenso ist der Verkauf, die Veränderung oder eine sonstige kommerzielle Nutzniessung erlaubt. 

Founders’ Copyright

In den neueren Lizenzen nutzt Creative Commons eine Besonderheit des amerikanischen Rechts, das so genannte «Founders’ Copyright». Es gilt nur für die amerikanische CC-Lizenz. Es beruht auf dem noch anwendbaren amerikanischen Urheberrecht von 1790 und hat eine Wirkungsdauer von 14 Jahren, die um nochmals 14 Jahre verlängert werden kann.

Da das amerikanische Recht auch historische Fallrechtsentscheidungen anerkennt, kann diese kürzere Schutzdauer auch angewendet werden und findet rechtlichen Schutz, sofern sich der Urheber des Werks darauf beruft.

Das heutige amerikanische Urheberrecht gilt im Vergleich dazu lebens- lang plus 70 Jahre über den Tod des Autors hinaus. Des Weiteren gibt es in den USA für Firmen die Möglichkeit, ihr Copyright auf 95 Jahre zu verlängern. Von dieser Möglichkeit hat beispielsweise die Walt Disney Company Gebrauch gemacht. Damit wird zwar die Frist zur kommerziellen Nutzung maximal verlängert, aber eine kreative Weiterentwicklung wird so für (zu) lange Zeit verhindert.

Eine weitere Form wurde für Entwicklungsländer entwickelt. 

Icons
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Developing Nations License

Diese Lizenz darf nur von Ländern genutzt werden, welche von der Weltbank nicht als «high-income economy» eingestuft wurden. Mit dieser Lizenz sind Derivate, das heisst Veränderungen und Verarbeitungen jeder Art, erlaubt.

Benutzer aus Industriestaaten sind von diesen Rechten ausgeschlossen, ihnen steht nur das Leserecht zu.

Vor- und Nachteile

Die Vor- und Nachteile des Creative-Common-License-Projekts in seiner jetzigen Fassung sollen hier nicht verschwiegen, sondern erläutert werden:

Die Richtung stimmt: Von ihrer Grundausrichtung her werden Creative Common Licenses der Verbreitung von digitalen, audio-visuellen und grafischen Dateien gerecht.

Die Creative Common License macht einen Unterschied zwischen den Bedürfnissen der Entwicklungsländer und denjenigen der Industriestaaten: Sie stellt beiden massgeschneiderte Lizenzen zur Verfügung und hat im Gegensatz zum Unilateralismus der Vertrags- werke der Weltorganisation für Urheberrecht und Patente in Genf (WIPO) auf diese Weise eine Lähmung ihrer Tätigkeit vermieden.

Die Kurzfassung für Laien reicht zum Verständnis nicht aus: Um die gewährten Rechte, zum Beispiel zur Veränderung und Weitergabe eines Werks, umfassend verstehen zu können, bedarf es weiterer Lektüre, die lediglich noch von Juristen, nicht aber von vielen anderen Benutzern mehr betrieben wird. Das führt für Laien zur Rechtsunsicherheit, was sie nun wirklich tun dürfen.

Die Verträglichkeit mit anderen Urheberrechtslizenzen fehlt: Das Problem ist hierbei die Klausel, dass veränderte Versionen nur unter derselben Lizenz oder unter der jeweils höheren und aktuelleren Version der Lizenz veröffentlicht werden dürfen. Dieses Verfahren nennt sich üblicherweise «Copyleft», in der CC-Terminologie jedoch «Share Alike». Es dient dazu, die Freiheit veränderter Versionen zu bewahren. Hat man jedoch zwei Werke unter verschiedenen Copyleft-Lizenzen, etwa GNU General Public License (GPL) und Creative Com- mons, ist es unmöglich, diese Werke zu etwas Neuem zu rekombinieren und das Resultat rechtmässig zu verbreiten. Jede Lizenz für sich beansprucht ihre alleinige Geltung und schliesst die andere Lizenz aus. Eine mögliche Lösung wäre, dass der Bearbeiter, der die beiden Werke zusammenführt, ein Wahlrecht hat, welche der alternativen Lizenzen gelten soll. Jedoch sind GNU und CC in ihrem Anwendungsbereich nicht deckungsgleich. GNU schliesst bestimmte Rechte aus, die in CC eingeschlossen sind, und umgekehrt.

–  Offenheit und Freiheit: Es wird von manchen bemängelt, dass Creative-Commons-Lizenzen weniger frei und offen gestaltet seien als andere freie Lizenzsysteme. So empfiehlt das GNU-Projekt zum Beispiel seit einiger Zeit statt der Creative-Commons-Lizenzen die Lizenz Freie Kunst für alles ausser Software und Dokumentationen.

–  Keine Reversibilität bei der gewählten Lizenz: Wenn man ein Werk einmal unter einer Lizenz veröffentlicht hat, kann man sich später nicht mehr für eine andere entscheiden. Das eigene Werk fällt damit auf ewig unter diese Lizenz.

Dies gilt für zwei Fälle, nämlich:

–  falls man das Werk doch nicht mehr unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlichen will,

–  auch, wenn man nur eine Umkehrbarkeit der gewählten Lizenz in eine andere Creative-Commons-Lizenz wählen möchte. Man kann zwar das Werk wieder unter der neuen Lizenz veröffentlichen, aber bei Missachtung kann man sich auf die Rechte der anderen Lizenz berufen, unter der das Werk ja schon stand. Eine Freigabe muss daher gründlich überlegt sein!

Laufende Projekte

Trotz all der genannten Vor- und Nachteile zählt allein, ob sich diese Creative Common Licenses in der Praxis durchsetzen. Zwei grosse Projekte in zwei europäischen Ländern seien hier angeführt:

BBC Creative Archive

Das grösste Projekt hatte die britische BBC mit einem riesigen Filmarchiv, dem BBC Creative Archive, das sie unter Verwendung einer CC-Lizenz online zugänglich machte. Der aussergewöhnliche Pilotversuch «Creative Archive» der BBC stellte ein Novum dar, von dem man beim Schweizer Fernsehen nicht zu träumen wagt: 80 Videos mit Aufzeichnungen von historischen Momenten wurden zum freien Download angeboten und durften weiterverwendet werden. Für VJs veröffentlichte die BBC auch Videosequenzen aus ihrem Nachrichtenarchiv für Remix-Wettbewerbe.

Ob es um den Fall der Berliner Mauer, die chinesischen Studentenproteste am Pekinger Tienanmen Square oder die Berichterstattung zum Fussballspiel Deutschland gegen England im Jahr 1966 ging, alles durfte nach Belieben gesamplet, zerhackt und neu zusammengeschnitten werden. Zugang zum Archiv hatten aber nur britische Staatsbürger. Für diese galt auch eine spezielle Creative-Commons-Lizenz. Dabei half Lawrence Lessig beim Entwickeln der Lizenzbedingungen, die sich eng an die im World Wide Web publizierten Creative-Commons-Lizenzen anlehnten.

Jede kommerzielle Nutzung, auch für politische oder wohltätige Kampagnen, wurde untersagt, dafür aber die Nutzung unter «Share-Alike» gestattet: Die Veränderung und Weitergabe ist unter der Bedingung möglich, dass alle Urheber in den «Credits» im Abspann genannt werden. Beim «Creative Archive» öffnete die BBC erstmalig Teile ihres Archivs und gab sie für die Allgemeinheit zur nicht kommerziellen Nutzung frei.

Ein Modell der Zukunft? Das Projekt lief als Versuch in der Zeit von Mai 2004 bis September 2006 und sollte unter anderem Ergebnisse zum Umgang der Nutzer mit der Technik liefern.

Open Choice

Unter dem Eindruck der Open-Access-Initiative, der freien Publikation von wissenschaftlichen Arbeiten im Internet, bieten der wissenschaftliche Springer-Verlag und Kluwer-Academic Autoren die Möglichkeit, ihre Werke gegen eine Pauschale von 3000 Dollar im Volltext freizuschalten und unter eine Creative-Commons-Lizenz zu stellen, die so genannte «Springer Open Choice License», die die nicht kommerzielle Weiterverwendung der Werke unter Namensnennung gestattet.

Bereits im Juli 2004 starteten die Verlage dieses zusätzliche Publikationsmodell unter dem Namen Springer Open Choice, das das traditionelle Subskriptionsmodell ergänzen sollte. Dieses Modell ist eine Weiterentwicklung des in einem Teil der wissenschaftlichen Welt unterstützten Open-Access-Konzepts. Es wurde ein Verlagsleiter eines bereits etablierten Open-Access-Verlages auf dem Gebiet der biomedizinischen Forschung eingestellt.

Open Choice ist ein zusätzliches Publikationsmodell, das Springer für alle seine 1250 Zeitschriften anbietet. Das bedeutet, dass Autoren ihre Artikel im Internet frei zur Verfügung stellen oder im Rahmen des bewährten Subskriptionsmodells veröffentlichen können, bei dem der Leser für die Information zahlt. Auf Open-Choice-Artikel kann frei und zu jeder Zeit kostenlos via SpringerLink zugegriffen werden. Die dafür zu zahlenden 3000 US Dollar decken die Kosten des verlegerischen Services ab – inklusive der parallel gedruckten Version des Artikels in einer etablierten Springer-Zeitschrift.

Der Open-Choice-Artikel unterscheidet sich in nichts von den im klassischen Modell publizierten Artikeln. Er geht durch die gleiche wissenschaftliche Prüfung (peer review) und durchläuft auch die gleichen Arbeitsschritte im Verlag wie Redaktion, Produktion und Druck sowie Vertrieb über die etablierten weltweiten Verkaufskanäle. Die Verlinkung zu allen Referenzsystemen, die im elektronischen Publizieren international üblich sind, wird ebenso vom Verlag sichergestellt wie das Indizieren und der Abstract-Service.

Hält die Creative-Commons-Lizenz, was sie verspricht?

Wie sieht es mit der Creative-Commons-Lizenz vor den gestrengen Augen des Richters aus? Werden diese Lizenzverträge im Streitfall vor Gerichtsinstanzen geschützt? Zwei Fälle, die dieses Jahr vor europäischen Gerichten entschieden wurden, mögen als Belege der Klärung der Fragen dienen: 

Barbetreiber setzt sich gegen Verwertungsgesellschaft durch

Mit Urteil vom 16. Februar 2006 hatte das Amtsgericht («Juzgado de Primera Instancia») von Badajoz in Spanien einen Fall einer Creative-Commons-Lizenz zu beurteilen.

Die Klägerin, die Verwertungsgesellschaft «Sociedad General de Autores y Editores», hatte den Inhaber einer Bar auf Zahlung von Schadenersatz verklagt. Der Barbetreiber habe in seiner Bar über Abspielgeräte solche Musikstücke öffentlich wiedergegeben, die einer Abgabe an die Klägerin unterlägen, ohne dabei aber Gebühren an die Verwertungsgesellschaft gezahlt zu haben. Der Barbetreiber wandte ein, dass er nur solche Musikstücke abgespielt habe, die er unter einer Creative-Commons-Lizenz aus dem Internet heruntergeladen habe.

Die Klägerin konnte zwar nicht beweisen, welche Musikstücke der Beklagte öffentlich wiedergegeben hatte. Sie berief sich aber darauf, dass die absolute Mehrheit der in Spanien veröffentlichten Musikstücke ihrem Ver- wertungsrecht unterlägen. Die Verwertungsgesellschaft sei nicht dafür beweispflichtig, dass der Beklagte Musikstücke abgespielt habe, an denen sie Rechte besässe. Vielmehr sei umgekehrt der Beklagte beweispflichtig dafür, keine solchen Stücke abgespielt zu haben.

Das Gericht folgte zwar in diesem Punkt der Argumentation der Klägerin, sah aber der Beweispflicht des Beklagten bereits dadurch Genüge getan, dass dieser nachweisen konnte, über die notwendigen technischen Apparate zu verfügen, um die von ihm benannten Musikstücke aus dem Internet herunterzuladen und öffentlich wiederzugeben. Folglich wies das Gericht die Klage zurück.

Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig. So wurde zum ersten Mal von einem Gericht anerkannt, dass die Autoren entscheiden könnten, wie ihre Rechte verwertet werden sollen, und dass sie diejenigen Rechte, die sie für angemessen halten, für solche Verwendungen abtreten könnten.

Auch Bilder auf Online-Fotoportalen sind geschützt

Der ehemalige MTV-Moderator Adam Curry, Miterfinder der ersten Podcast-Software iPodder, hatte gegen das Magazin «Weekend» geklagt. Die Ursache für diesen Fall lag darin, dass das Magazin für einen Artikel Fotos von Currys Account beim Online-Fotoportal Flick® verwendet hatte. Die besagten Fotos standen jedoch unter der Lizenz «Creative Commons NC-BY-SA» und waren damit rechtlich gegen die unerlaubte kommerzielle Vervielfältigung geschützt. Die Lizenz sieht vor, dass die Bilder zu nicht kommerziellen Zwecken verwendet werden dürfen, wenn alle Änderungen wiederum unter derselben Lizenz veröffentlicht werden. Da das Magazin die Bilder kommerziell verwendet hatte, ohne den Urheber Curry zu fragen, beging es gemäss der Klage von Adam Curry eine Urheberrechtsverletzung.

Das Gericht in Amsterdam sah darin eine Urheberrechtsverletzung als gegeben an. Die Zeitschrift habe gegen die von Curry verwendete Creative-Commons-Lizenz verstossen, so die Richter. Für jedes widerrechtlich verwendete Bild müsse das Blatt 1000 Euro an Curry zahlen.

Damit hat ein Gericht in den Niederlanden nun erstmals in einem Prozess die Zulässigkeit der alternativen Copyright-Lizenzen bestätigt.

Creative-Commons-Lizenz – Sackgasse oder Königsweg?

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit Creative-Commons-Lizenzen eine grössere Verbreitung in Europa finden? Es seien einige Argumente angeführt, die für eine nachhaltige Verbreitung von Creative-Commons-Lizenzen in Europa sprechen:

Ein restriktives Urheberrecht fördert die Verbreitung von Creative Commons

Das faktische Verbot des Erstellens einer digitalen Privatkopie fördert die Verbreitung von Creative Commons nachhaltig, wie ein Blick nach Deutschland zeigt. Mit der anstehenden Überarbeitung des deutschen Urheberrechts werden die Rechte der Konsumenten voraussichtlich weiter eingeschränkt werden. Mit kreativen Veranstaltungen wird versucht, die Öffentlichkeit für das Anliegen zu sensibilisieren.

Das internationale Büro der Creative Commons International befindet sich in Berlin und koordiniert alle internationalen Aktivitäten. Mit originellen Veranstaltungen wird die Verbreitung des Creative-Commons-Gedankens gefördert. Am «Table of Free Voices», dem Tisch der freien Stimmen in Berlin, wurden «die hundert wichtigsten Fragen der Welt» gestellt. Am «grössten runden Tisch» der Welt beantworteten 112 Prominente, Künstler und Aktivisten beim Projekt «Dropping Knowledge» neun Stunden lang 100 Fragen, die die Welt bewegen. Diese Veranstaltung wurde gefilmt und soll unter Creative-Commons-Lizenz ins Netz gestellt werden.

Die Recherche in Suchmaschinen und Plattformen wird mit Creative-Commons-Lizenzen erleichtert

Das Konzept der Creative-Commons-Lizenz sieht eine Festschreibung der Rechte in den Metadaten im Lizenzblock vor. Diese Metadaten basieren auf dem Resource Description Framework (RDF) und als Syntax dient diejenige der Extensible Mark-up Language (XML).

Einige Überzeugungsarbeit ist noch bei den Autoren zu leisten, da die Metadaten zu ihren Werken von ihnen selbst eingegeben werden. Creative Commons unterstützt Suchmaschinen, die diese Metadaten anzeigen. Die Integration der Creative Commons Search Engine in den Browser Firefox seit der Version 1.0 trägt sicher zur weiteren Verbreitung des Creative-Commons-Gedankens bei.

Kommerzielle Suchmaschinendienste sind bereits darauf eingestiegen. So bietet beispielsweise seit letztem Jahr Yahoo eine Creative-Commons-Search-Beta-Applikation an. Damit soll es möglich sein, Texte, Bücher und Schulunterlagen zu finden, deren Rechte dem Creative-Commons-Gedanken folgen. Für den Nutzer soll unmittelbar ersichtlich sein, welchen Rechten die gefundenen Dokumente unterliegen.

Verschiedene spezialisierte Plattformen unter Creative Commons fördern den Austausch wissenschaftlicher Information

Mit der Schaffung wissenschaftlicher Plattformen wie BioMed Central in Grossbritannien und Public Library of Science in den USA werden Versuche unternommen, die Preisspirale der bisherigen wissenschaftlichen Fachverlage zu unterlaufen.

BioMed Central bietet, laut eigener Darstellung, den Zugriff auf über 100 Open-Access-Fachjournale und die darin veröffentlichten Artikel aus dem Bereich Biologie und Medizin. Als Open Access Publisher stellt BioMed Central alle wissenschaftlichen Publikationen kostenlos im Internet zur Verfügung. Die anfallenden Kosten werden durch Gebühren gedeckt, die derjenige trägt, der publiziert. Veröffentlichungen werden dabei einer ebenso rigiden Peer-Review unterzogen wie bei traditionellen Verlagen wie Springer.

Die Public Library of Science entstand aufgrund eines Online-Aufrufs von Patrick Brown (Biochemiker an der Stanford University) und Michael Eisen (Bioinformatiker an der University of California, Berkeley) und dem Lawrence Berkeley National Laboratory Anfang des Jahres 2001. Der Aufruf enthielt die Aufforderung an alle Wissenschaftler, sich zu verpflichten, die Weitergabe von Fachartikeln an diejenigen Zeitschriften einzustellen, die den Volltext sechs Monate nach der Veröffentlichung nicht frei verfügbar machten.

Als Verlag im eigentlichen Sinne nahm die Public Library of Science ihre volle Tätigkeit am 13. Oktober 2003 mit der Veröffentlichung von Artikeln auf, die von anderen angesehenen Wissenschaftlern der gleichen Fachrichtungen in Peer-Reviews überprüft worden sind. Die Artikel erschienen sowohl gedruckt als auch online in der Zeitschrift PLoS Biology. Im weiteren Verlauf erfolgte eine Erweiterung um weitere Titel. Gegenwärtig werden im Rahmen der Public Library of Science PLoS Biology, PLoS Medicine, PLoS Computational Biology, PLoS Genetics und PLoS Pathogens veröffentlicht. Die Vorteile von Open Access wurden von den Wissenschaftlern, gerade in den Entwicklungsländern, sehr schnell gesehen:

– Forschungsartikel sind frei, das heisst ohne Subskriptionen und Lizenzen, im Internet zugänglich.

– Es schliessen sich hochkarätige Zeitschriften der Open-Access-Bewegung an, z.B. British Medical Journal, Conservation Ecology, Journal of High Energy Physics.

– Der weltweit freie Zugang für Forscher, aber auch für interessierte Laien, Patienten und deren Angehörige führt durch breite Rezeption und hohe Download-Zahlen zu mehr Zitationen und damit guten Impact Factors. Der Impact Factor ist ein Mass, wie oft, statistisch gesehen, ein Artikel aus einer bestimmten Zeitschrift in anderen Zeitschriften zitiert wird. Je höher der Impact Factor, desto angesehener ist eine Fachzeitschrift.

–  Das Copyright verbleibt bei den Autoren, die deshalb z.B. ihre Artikel ohne Einschränkung per E-Mail versenden und auf ihren oder den Institut-Homepages veröffentlichen können.

–  Durch standardisierte Formatierung und Archivierung in Volltextarchiven sind Forschungsergebnisse (und gegebenenfalls die ihnen zugrunde liegenden Daten) unmittelbar nach der Veröffentlichung online frei zugänglich und z.B. für so genannte Metasearches auswertbar.

Bücher unter Creative-Commons-Lizenzen finden grössere Verbreitung

Lawrence Lessig hat ein Buch unter dem Titel «Free Culture: How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity» veröffentlicht. Lessig publizierte es einerseits als herunterladbares Werk unter Creative-Commons-Lizenz und gab es als gedrucktes Buch im Penguin-Verlag heraus. Innert Monatsfrist nach der Herausgabe des Buches wurden 2600 gedruckte Exemplare verkauft. Eine übliche Verkaufsziffer für ein Buch dieses Genres. Im gleichen Zeitraum wurde das ins Internet gestellte Buch von Lessigs Server 66 000 Mal und bei Amazon.com 100 000 Mal heruntergeladen.

Diesen erfolgreichen Versuch kommentierte Lessig mit den Worten, er zeige, dass freigegebene Werke die Verbreitung kommerzieller Werke fördere. Es geht ihm also nicht um die Abschaffung des Urheberrechts, sondern um die Abschaffung der Mittelsmänner, d.h. der Verwertungsgesellschaften.

Die Nutzung von Creative-Commons-Lizenzen macht Filme billiger

In Grossbritannien, einem weiteren Land mit einer restriktiven Urheberrechtsgesetzgebung, griff eine kleine Filmfirma zur Selbsthilfe. Die schottische Strange Company stellte ihren ersten komplett mit einer Game-Engine hergestellten Machinima-Langfilm vor: «BloodSpell» ist bislang der längste seiner Art und taucht in die Fantasywelt von Magiern und Zauberern ein.

Der Machinima-Pionier Hugh Hancock schrieb die Geschichte. Die Technik baut auf dem PC-Game «Neverwinter Nights» auf. Der Film wurde mit einem Bruchteil des sonst üblichen Budgets hergestellt. Nur 10 000 Dollar betrugen die Kosten. Dies ist ein äusserst geringer Betrag im Vergleich zu einer Animation aus Hollywood, die leicht um die 100 Millionen Dollar verschlingen kann.

«BloodSpell» wurde zur nicht kommerziellen Weitergabe frei gegeben und unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.

Die Animation ist in kleine Episoden aufgestückelt und kann jeweils nach deren Fertigstellen in regelmässigen Abständen heruntergeladen werden, bis der ganze Film verfügbar ist.

Walt Disney würde staunen, mit wie wenig Mitteln und wie schnell heutzutage Animationsfilme produziert werden können. Hat das jemand schon Mickey Mouse erzählt?

Hollaender Stephan 2016

Stephan Holländer

Stephan Holländer unterrichtet an der HTW Chur sowie an der HEG Genève. Als Beauftragter für Weiterbildung des BIS ist er zudem für die berufliche Weiterbildung aktiv. Daneben bietet er mit seiner Firma Beratung in den Bereichen Archiv, Bibliothek, Dokumentation und Wissensorganisation an.
Stephan Holländer war während vieler Jahren arbido-Redaktor. Heute noch steuert er Artikel bei, weiter publiziert er im deutschen Online-Nachrichtendienst Password Online.