Bibliothek – Mediothek – Digithek: Wandel in Mittelschulmediotheken
Mein Arbeitsort ist die Kantonsschule Zürcher Oberland in Wetzikon – kurz KZO. Die folgenden Angaben beziehen sich in erster Linie auf diese Schule, einige auf die Mittelschulen/Gymnasien im Kanton Zürich und einige auch auf alle Deutschschweizer Gymnasien. Es kann in diesem Artikel aber nicht darum gehen, alle Mittelschulmediotheken zu vertreten und deren Entwicklungen zu beschreiben.
Rückblick
Da ich schon lange in diesem Metier tätig bin, kenne ich die Entwicklung der letzten knapp 25 Jahre. Ich möchte den Rückblick aber kurz halten: Vor 25 Jahren waren vor allem Bücher, einige Schallplatten, Dias und vereinzelt Videokassetten in den Mittelschulbibliotheken anzutreffen. In vielen Schulen wurde die Sammlung bereits durch eine – manchmal sogar ausgebildete – Bibliothekarin betreut; recht häufig war es die Ehefrau eines Mittelschullehrers, die sich entsprechend eingearbeitet hatte. Es gab aber auch Mittelschulen, die keine spezielle Person für die bibliothekarische Arbeit angestellt hatten. Dort waren es Fachlehrpersonen, die allerdings nur die Sammlung ihres Schulfaches betreuten. Diese entwickelten in der Regel eigene Systematiken, die weder mit anderen Fächern und schon gar nicht mit anderen Schulen vergleichbar waren.
Mittelschulmediotheken aktuell
Unterdessen haben wohl die meisten Mittelschulen Bibliothekarinnen und vereinzelt Bibliothekare angestellt. Ob diese «nur» für Schülermedien oder auch für Medien für die Lehrpersonen zuständig sind, ist aber schon der erste grosse Unterschied.
Ich darf durchaus mit etwas Stolz darauf hinweisen, dass die KZO schon vor 20 Jahren eine gemeinsame Schüler- und Lehrermediothek eingerichtet hat. Zusätzlich gibt es für Lehrpersonen noch eigene Sammlungen, die meistens nur einige Nachschlagewerke und allenfalls methodisch-didaktische Materialien enthalten.
Bei den Medien der Mediothek gibt es sehr wenige Konflikte, damit meine ich, dass es eher selten ist, dass gleichzeitig eine Lehrperson und ein Schüler oder eine Schülerin das gleiche Buch, den gleichen Film ausleihen möchten. Falls dieser Fall doch einmal eintritt, ist es klar, dass der Unterricht Vorrang hat. Eine Schülerin darf den Film, den sie bei ihrem Vortrag vorführt, ausleihen, auch wenn eine Lehrperson diesen privat anschauen möchte. Für einen Lehrer, der ein bestimmtes Buch für die nächste Schulstunde braucht, wird dieses vom Schüler, der es ausgeliehen hat, zurückgefordert, auch wenn die Leihfrist noch nicht abgelaufen ist.
Die Medien, von denen ich hier spreche, sind unterdessen natürlich vielfältiger geworden: Bücher sind zwar immer noch ein wichtiger Teil, Schallplatten sind praktisch ganz verschwunden, dafür hat die Silberscheibe in di- versen Formaten Einzug gehalten. Erlauben Sie mir an dieser Stelle noch einen letzten historischen Rückblick: Die erste CD-ROM, die für unsere Mediothek gekauft wurde, war von den Altphilologen gewünscht worden – also gar nichts von verstaubter Sprache.
Unterdessen haben auch alle Mittelschulmediotheken ihren Bestand oder zumindest grosse Teile davon elektronisch rekatalogisiert und viele stellen einen WebOPAC zur Verfügung.
Das Internet hielt Einzug in den Mediotheken. Wo Schüler und Schülerinnen früher einen Brockhaus-Artikel kopiert hatten und überzeugt waren, damit «alles» zu ihrem Thema zu haben, wird immer mehr gegoogelt oder der entsprechende Wikipedia-Artikel ausgedruckt, auch hier mit der Überzeugung, alles und natürlich auch richtige Angaben erhalten zu haben.
Mit Sorge bemerkten wir MittelschulmediothekarInnen diese Entwicklung. Da Lehrpersonen und auch wir BibliothekarInnen leicht überfordert vor der Informationsflut des Internets standen, musste etwas geschehen.
Die Digithek
Als Resultat aus zwei mehrtägigen Weiterbildungskursen wurde eine gemeinsame Webseite für Zürcher Mittel- und Berufsschulmediotheken entwickelt. Sie erhielt den Namen Digithek und wurde als Projekt der Mediotheken der Zürcher Mittel- und Berufsschulen online gestellt. Der Untertitel drückt aus, welche Ansprüche diese Seite erfüllen möchte: Top-Tipps zum Online-Recherchieren.
Die Digithek hat drei Ansprechgruppen: die Schülerschaft, die Lehrpersonen und die MediothekarInnen von Mittel- und Berufsschulen. Sie will allen als Plattform für Recherchen dienen, sei es mit speziellen Angeboten, sei es mit Anregungen für eine gute Recherche und nicht zuletzt als Austauschmöglichkeit von guten Ideen im Bibliotheksbereich.
Die speziellen Angebote sind in fünf Suchwege aufgeteilt: Nachschlagewerke – Bibliothekskataloge – Zeitungen/Zeitschriften – Fachportale – Suche im Web. Jeder Suchweg bietet eine kommentierte Linkauswahl. Der Anspruch an die Links ist, dass es die besten sein sollen und dass es eine kurze Liste sein soll, damit die Übersicht gewährleistet ist.
Einige dieser Links führen zu kostenpflichtigen Angeboten, die in der Regel über die IP-Adressen der Schulen kontrolliert und darum natürlich nur von dort aus zugänglich sind. Neben allgemeinen Nachschlagewerken (Brockhaus-Enzyklopädie u.a.) ist es zum Beispiel auch das Chemielexikon Römpp, das kostenpflichtig ist und den Schulangehörigen auf diesem Weg zur Verfügung gestellt wird.
Wohl das Herzstück des Digithek-Angebotes ist der Zugang zum Medienarchiv Swissdox. Dieser Link führt in die elektronischen Archive von fast 100 Schweizer Zeitungen bzw. Zeitschriften. Die Artikel der durchschnittlich letzten 10 Jahre können so an den Schulen herunter geladen und für Unterrichtsunterlagen, für Maturitäts-, selbständige Vertiefungsarbeiten oder für Vorträge verwendet werden. Dies ist ein sehr wertvolles Angebot und wird momentan sogar durch die Swisscom (im Rahmen von «Schulen ans Netz») gesponsert.
Weiterentwicklung und Präsentation
Seit Herbst 2003 ist die Digithek online. In dieser Zeit haben sich verschiedene Anwendungen daraus ergeben; auch wurden einige andere deutschschweizerische Kantone der Digithek angeschlossen. Das bedeutet, dass auch diese Kantone die kostenpflichtigen Angebote (oder Teile davon) eingekauft haben. Die Adressen, die Öffnungszeiten und die Kataloge der beteiligten Mediotheken werden auf der Digithek-Seite veröffentlicht. Zusätzlich übernehmen einzelne BibliothekarInnen einen Teil der Betreuungsarbeiten. Insbesondere die Links zu den Fachportalen bedürfen einer regelmässigen Überprüfung, idealerweise zusammen mit einer Lehrperson des entsprechenden Faches.
Dieser Artikel will aber nicht nur die Digithek vorstellen, sondern vor allem zeigen, wie sich unsere Arbeit verändert hat. Meistens mit der Digithek als Grundlage haben wir nämlich seit wenigen Jahren damit begonnen, zusätzlich zur schon lange üblichen Einführung in die Benutzung der Schulmediothek, weitere Schulungen anzubieten.
In den Anfängen der Digithek haben wir diese Seite den Lehrpersonen präsentiert. Dies geschah in der Regel an der Versammlung aller Lehrpersonen der Schule, dem Konvent. Es war für mich schon eine spezielle Herausforderung, vor knapp 100 Lehrpersonen in kurzer Zeit (der Konventspräsident gewährte mir 10 Minuten) die Angebote und die Verwendungsmöglichkeiten der Digithek vorzustellen.
Teaching librarian
Zuerst nur als Versuch haben wir für einzelne Klassen, die kurz vor dem Verfassen ihrer Maturitätsarbeit standen, eine Doppellektion im Computerraum durchgeführt.
Wir zeigen den SchülerInnen auf, wie und wo sie nach Informationen suchen können und versuchen Anregungen zur Beurteilung der Resultate zu geben. Beim Vorstellen der Suchwege beginnen wir klassisch mit dem Einstieg in Nachschlagewerke, um das Thema in der Wissenswelt einzuordnen, um allfällige Synonyme herauszufinden und natürlich auch, um weiterführende Literatur und immer häufiger auch gute Links zu entdecken. Anschliessend werden Suchbeispiele im eigenen Mediothekskatalog vorgeführt, um weiter zur Suche in Bibliotheksverbünden zu wechseln.
Als Höhepunkt entpuppt sich dann für viele die Recherche in den Zeitungsarchiven via Swissdox (spätestens dann wird der Drucker rege benutzt).
Zum Abschluss versuchen wir den SchülerInnen zu zeigen, dass es nicht nur die Suchmaschine Google gibt bzw. auch, dass Google mehr als nur einzelne Wörter suchen kann, dass es wichtig ist, planvoll zu suchen und dass eine Suche allenfalls geschickt erweitert oder eingeschränkt werden sollte.
Unterdessen wird diese Einführung in die Recherche mit Hilfe der Digithek allen Klassen angeboten, die kurz vor ihrer Maturitätsarbeit stehen. Wir MediothekarInnen müssen uns also neu mit dem Ablauf von Recherchierlektionen befassen und eine Klasse unterrichten.
Weitere neue Arbeiten
– Die Betreuung der Digithek als Webmistress bedeutet für mich eine weitere Aufgabe, die vor 10 Jahren noch unvorstellbar gewesen wäre.
– Auf der Digithekseite gibt es auch ein Weblog, «die Blogthek». Dadurch bin ich zur Bloggerin geworden. Über andere bibliothekarische Blogs habe ich eine Welt kennen gelernt, zu der ich früher keinen Zugang hatte. Es ist auch für MittelschulmediothekarInnen wichtig, über den Gartenzaun zu schauen.
– Noch nicht erwähnt habe ich, dass wir in unseren Schulmediotheken vermehrt technische Hilfen leisten. «Wie kann ich dieses Bild scannen?», «Warum funktioniert der Drucker nicht?» sind nur zwei Beispiele von Fragen, die uns fast genauso häufig gestellt werden, wie die Frage nach Informationen zu speziellen Themen.
– Viele Schulen kreierten eine eigene Webseite. Plötzlich mussten wir unsere Dienstleistungen webgerecht präsentieren. Vorher galt es aber, gut zu argumentieren, um die Wichtigkeit des Mediothek-Angebotes darzulegen und auf die Startseite der Schule zu gelangen. Einige MediothekarInnen standen mit diesem Anliegen auf verlorenem Posten.
– Vermehrt wurden wir Mitarbeitende an den Mittelschulen für Kommissionsarbeit angefragt. Ich bin Mitglied der Informatikkommission, weil die Mediothek eine Schnittstelle zwischen dem pädagogischen und dem Verwaltungsnetz ist.
– Nicht neu, aber bei uns häufiger ist die Betreuung von StrafschülerInnen. Von einer Lektion bis zu mehreren Stunden müssen diese bei uns Hilfsarbeiten verrichten, eine zusätzliche Aufgabe für MittelschulmediothekarInnen.
Ausblick
Ob und wie sich unsere Arbeit weiter verändert, kann ich nicht voraussagen. Ich bin aber überzeugt, dass die Unterstützung beim Recherchieren immer sinnvoll bleiben und das Ziel immer das gleiche sein wird: Das richtige Medium, die gesuchte Information, die passende Unterhaltung soll zum entsprechenden Konsumenten gebracht werden. Wir MediothekarInnen müssen informationstechnisch auf dem neuesten Stand bleiben und die aktuellen Entwicklungen in unsere Arbeit einbauen. Ich finde es wichtig und auch befriedigend, selber aktiv zu sein und nicht erst auf Ansprüche zu reagieren.
«Libraries and librarians, as I have said, will be able to play a significant role. They must, and I repeat, develop an active orientation to these developments rather than maintain a passive wait-and-see attitude. To be activist will require that they develop new energies in seeking to identify the changing requirements of their patrons; to encourage rather than to resist demands for improved, expanded, and accelerated services; to be in a position to identify requirements so these systems will be more responsive to the library’s users; and, most important, to demonstrate a willingness to assume responsibility for meeting service requirements and a readiness to set their sails to the winds of change.»
(Burton W. Adkinson und Henry J. Dubester auf der 35sten IFLA-General Council Session im August 1969 in Kopenhagen. Zitiert aus Libri, Vol 19, No. 4, S. 273 via Beitrag im IB Weblog vom 4.4.2007 http://weblog.ib.hu-berlin.de/?p=5130)
LITERATUR
Zu den Themen Mittelschulmediotheken, Recherchieren und Digithek sind in letzter Zeit einige Arbeiten entstanden. Wo vorhanden, sind Abstracts und Links zum PDF unter http://www.digithek.ch/intern/... aufgeführt:
– Aufbau eines Konzepts zur Vermittlung von Informationskompetenz am Beispiel Deutschschweizer Mittelschulen/Maria Betrog Masterarbeit MAS Informatione Science 2007 an der Fachhochschule Ostschweiz in Chur –Einrichtung einer Mediothek-Seite auf einer bestehenden (Mittelschul-)Homepage/Esther Niedermann, Christina Quack, Monica Rom Projektarbeit Leitungskurs für Schul- und Gemeindebibliothekarinnen 2000 an den Zürcher Bibliothekarenkursen
– Fachblogs von und für BibliothekarInnen – Nutzen, Tendenzen. Mit Fokus auf den deutschsprachigen Raum/Heidi Stieger Diplomarbeit Vollzeitstudium Information Science 2006 an der Fachhochschule Ostschweiz in Chur
– Ein Informationsportal im Test für die Alte Kantonsschule Aarau: Planung der Promotion und der Bewertung von digithek/Regula Gossweiler Projektarbeit NDK 2005 an der Uni Fribourg
– Konzept zur Anbindung von St. Galler Mittelschulen an www.digithek.ch/Irene Tschirky Diplomarbeit Nachdiplomstudium Information und Dokumentation 2005 an der Fachhochschule Ostschweiz in Chur
– Unterrichtsmodell zur Entwicklung von Informationskompetenz bei Schülern der gymnasialen Oberstufe/Andreas Klingenberg Diplomarbeit im Studiengang Informationsmanagement 2005 an der Fachhochschule Hannover
– Ein Wegweiser für Informationssuchende!/Irene Döbeli Maturaarbeit 2006 an der Aargauischen Maturitätsschule Aarau
Abstract
- Français
Les changements dans les médiathèques des gymnases Ce ne sont pas seulement les types de médias, mais aussi les tâches des médiathécaires dans les gymnases qui ont fortement changé pendant les dernières années. Les livres sont toujours restés importants, mais il y a des nouveaux médias comme les CD, CD- ROM, DVD et Internet. Les médiathécaires zurichois ont développé un portail de recherche pour les lycéens et les élèves des écoles professionnelles, leurs professeurs et leurs bibliothécaires: www.digithek.ch. Cette page montre cinq voies pour faire une bonne recherche des informations: les ouvrages de référence, les catalogues des bibliothèques, les journaux et les périodiques, les portails d’Internet et la recherche sur Internet. Pour toutes les voies il y a des adresses Internet. Il y en a quelques-unes qui sont payantes et qu’on peut seulement utiliser dans les écoles affiliées à digithek.ch. Avant d’écrire leurs travaux de maturité, les lycéens reçoivent deux leçons pour apprendre à faire des bonnes recherches. Ce sont les médiathécaires qui donnent ces leçons. Aider à chercher dans Internet et à utiliser la technique informatique pour travailler avec les informations sont aussi des nouveaux travaux des médiathécaires dans les gymnases. Il est très important de surveiller les développements dans le monde de l’information. Pour les médiathécaires il est plus gratifiant d’anticiper que de réagir seulement aux exigences des utilisateurs