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2011/2 M-Library – zu jeder Zeit an jedem Ort

Mobile Nutzung von Bibliotheksdienstleistungen

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Der Horizon Report 2011 nennt als wichtigste Technologien für das aktuelle Jahr die elektronischen Bücher und die mobilen Geräte (Johnson, L., Smith, R., Willis, H., Levine, A., and Haywood, K., (2011). The 2011 Horizon Report. Austin, Texas: The New Media Consortium. http://net.educause.edu/ir/library/pdf/HR2011.pdf). Auch Bibliotheken müssen sich darauf einstellen, dass immer öfter von unterwegs auf Geräten mit kleineren Bildschirmen und über eher langsame (und teure) Internetverbindungen auf ihre Dienstleistungen zugegriffen wird. Das Nutzungsverhalten unterscheidet sich zum Teil recht deutlich vom Zugriff über stationäre PCs. Zudem bieten die modernen mobilen Geräte neue Funktionalitäten, an die sich die Nutzer sehr schnell gewöhnt haben. Was bedeutet das für die Bibliotheken?

Ich möchte in einem ersten Schritt auf mobile Dienste eingehen, welche im Kontext von Bibliotheken relevant sind. Auch um ein wenig das Umfeld zu skizzieren, in dem sich unsere Kunden im Alltag bewegen und in dem ihre Erwartungen entstehen.

In einem zweiten Schritt werde ich aufzuzeigen versuchen, was dies für die elektronischen Dienstleistungen der Bibliotheken bedeutet.

1. Mobile Dienste

Wir können davon ausgehen, dass in Zukunft die meisten Zugriffe aufs Internet über mobile Geräte erfolgen werden. Mobiltelefone sind weltweit das weitestverbreitete elektronische Gerät, Tendenz steigend. Der Anteil an Smartphones nimmt rasant zu, zunächst vor allem in den stark industrialisierten Ländern. Von den neuverkauften Mobiltelefonen basieren mittlerweile 35% auf Android und 15% auf Apples iOS – in der Schweiz gehen wir von einem Anteil von 38% Smartphones im Mobilmarkt ausQuelle: Robert Weiss: Weissbuch 2010. Robert Weiss Consulting 2011. www.weissbuch.ch.. Das bedeutet, dass diese User in der Regel über relativ kleine Bildschirme, eventuell teure Drahtlosnetzwerke und von unterwegs auf unsere Dienste zugreifen. Das einzige nennenswerte Hindernis bei der Verbreitung der Smartphones sind die noch immer sehr hohen Tarife, gerade in der Schweiz.

Telefonieren ist nur noch eine Funktion unter vielen bei einem Smartphone. Im Vordergrund steht die Nutzung von Internetdiensten – sei es über den mobilen Browser oder über die unzähligen Apps, die sehr oft auf Webdiensten basieren. Man greift auf Wetterdaten, Börsenkurse, Karten, Nachrichten, Reiseinformation, lokalbasierte Information und soziale Netzwerke oder auf E-Mail, synchronisierte Kalender, auf in der Cloud gespeicherte private oder geschäftliche Dokumente zu – und vieles mehrNeuste Zahlen zeigen, dass ein Drittel der Online-Zugriffe auf die News-Plattform www.20min.ch von mobilen Geräten aus erfolgt. Die App von 20 Minuten wurde bereits über 1 Mio. Mal installiert. http://www.20min.ch/digital/webpage/story/Enormer-Zuwachs-sorgt-fuer-Rekordzahlen-11184996.. Dabei wird das Internet mobil anders genutzt als vom stationären PC aus: Die Einheiten sind kürzer, der Zugriff erfolgt sehr gezielt (also kein Browsing) und oft zur Überbrückung kurzer Pausen, z.B. an der Bushaltestelle. Zudem werden durch die meist mit GPS ausgestatteten Geräte, die also «wissen», wo man sich gerade befindet, die ortsbasierten Informationen immer wichtiger.

Diese bestehenden Dienste und Plattformen stehen auch Bibliotheken zur Nutzung offen. Bei den ortsbasierten Diensten kann eine Bibliothek auf Foursquare1einen sogenannten Venue (Ort) einrichten und wichtige Kontaktangaben hinterlegen. Nutzer von Foursquare sehen dann diesen Ort, wenn sie sich in der Nähe befinden, können sich «einchecken» und Tipps hinterlassen. Auch die Bibliothek selbst kann Tipps – z.B. über bevorstehende Schliessungen oder über Events – hinterlegen.

Ähnlich funktionieren die Dienste Gowalla oder auch Facebook Places. Man kann eine Facebook-Seite mit einem Ort verknüpfen, der dann über das Smartphone («Orte in deiner Nähe») gesucht werden kann. Noch wichtiger ist es jedoch, dass sich die Bibliothek im wichtigsten Branchenverzeichnis einträgt – Google Places. Hier kann man einen offiziellen Eintrag erstellen, Kontaktadressen, Fotos und Videos hinterlegen, die dann bei einer Suche in Google Maps angezeigt werden (stationär und mobil).

Direkt nutzbar für Bibliotheken könnte der neue Dienst «Localmind» sein2. Mit der entsprechenden App auf dem iPhone kann man Leute in der Nähe suchen, die einem Auskunft erteilen. Voraussetzung ist, dass man sich über einen der oben genannten geobasierten Dienste an einem Ort eincheckt und die App installiert hat.

Man kann also dem eingeloggten User eine Frage stellen. Dieser wird benachrichtigt, dass eine Frage gestellt wurde. Die angefragte Person kann dann entscheiden, ob sie antworten kann oder nicht. Was spricht dagegen, dass sich eine Bibliothek einen Foursquare-Account zulegt und sich bei Localmind anmeldet, damit die Informationsdienste Anfragen auf diesem Kanal entgegennehmen und beantworten können? Eine Schwäche des Dienstes besteht darin, dass (momentan) prinzipiell keine Spezialisten, sondern zufällig an diesem Ort eingecheckte Personen angefragt werden. Aber als Grundsatz lässt sich festhalten, dass fast täglich neue Anwendungen auf den Markt kommen, von denen sich zumindest einige durchsetzen werden und in Aufgabenbereichen wirken, die traditionell Bibliotheken zugeschrieben werden.

2. Mobile Bibliotheksdienstleistungen

Es gab auch schon vor der Smartphone-Ära mobile Dienstleistungen. Vor Jahren waren die vereinfachten WAP-Seiten (Wireless Application Protocol) ein ThemaDie Gründe für das Scheitern von WAP behandelt Jacob Nielsen in seiner Analyse aus dem Jahr 2000: WAP Field Study Findings (http://www.useit.com/alert-box/20001210.html, besucht 31.3.2011).. Ein Vorläufer ist auch der SMS-Alert, wie ihn die ETH-Bibliothek seit einiger Zeit anbietet: Kunden können sich Abholungseinladungen per SMS zuschicken lassen. Der Dienst wurde im letzten Jahr immerhin von 26 000 Kunden genutzt, und monatlich werden gegen 7000 SMS verschickt.

Eine besondere Herausforderung stellen mobile Websites dar, auch wenn die Geräte und Netzwerke seit der WAP-Ära markant verbessert worden sind. Dabei genügt es nämlich nicht, die bestehende Website über ein separates Stylesheet automatisch in einer für Smartphones tauglichen Darstellung anzuzeigen. Bei der Gestaltung einer mobilen Website sollte man sich genau überlegen, welche Informationen in der spezifischen Anwendungsform unter Berücksichtigung des Nutzerverhaltens sinnvollerweise angeboten werden. Ausgangslage ist also die Frage: Woran ist ein Bibliothekskunde interessiert, wenn er unterwegs auf Dienstleistungen zugreifen will? Dann kommen die Einschränkungen sowie die spezifischen Funktionen hinzu, die ein Smartphone bietet. Also die Möglichkeit, Telefonnummern anzuklicken (click-to-call) oder den Standort anzuzeigen. Die Frage WO? wird entsprechend höheres Gewicht haben als bei der Standardwebsite. Inhaltlich sind Standorte mit Lageplänen und allenfalls einem Routenplaner wichtige Elemente einer mobilen Webseite. Hinzu kommen Kontaktinformationen mit anklickbaren Telefonnummern und E-Mail-Adressen. Und das Wichtigste: Die Informationen müssen so kurz wie möglich gehalten sein, und die einzelnen Seiten müssen möglichst einfach und flach gestaltet sein.

Die automatische Darstellung einer Website in einer mobilen Version ist für einfachere Dienste, wie z.B. ein Blog, sinnvoll. WordPress bietet ein entsprechendes Plug-In, und nach wenigen Grundeinstellungen ist ein Blog in mobiler Version verfügbar.

Eine Vorreiterrolle im Bibliothekswesen nehmen die NCSU Libraries ein, die Bibliothek der North Carolina State University. Ihr mobiler Webauftritt entspricht den Anforderungen an eine mobile Website bestens und enthält spezielle Features, die dem Nutzer einigen Mehrwert versprechenVgl. http://www.lib.ncsu.edu/dli/projects/librariesmobile/. Eine Liste mit weiteren Bibliotheken, die über mobile Websites oder Kataloge verfügen, gibt es hier: http://www.libsuccess.org/index.php?title=M-Libraries..

Zu den üblichen Diensten wie Standorte und Öffnungszeiten, News und Suche kommen eine Chat-Funktion («Ask Us»), Raumreservation für Arbeitsplätze oder die Anzeige der Verfügbarkeit von Computerarbeitsplätzen. Der sog. WolfWalk bietet einen virtuellen Rundgang über den Campus. Gestaltet ist die mobile Website ähnlich wie eine AppGrundlage dafür ist der Code vom MIT Mobile Web Open Source Project, das an der NCSU modifiziert wurde.. Andere visuelle Konzepte sehen anstelle von Icons mit Balken gestaltete Seiten vor, wie z.B. bei One-Pager3.

Die mobile Website wird jeweils automatisch aufgerufen, wenn von einem mobilen Browser auf die Homepage zugegriffen wird4. Zur Usability einer mobilen Seite gehört unbedingt auch die Möglichkeit, auf die Standardansicht zu wechseln.

Eigentlich braucht es neben einer für alle Plattformen geeigneten mobilen Website keine spezifische App für Smartphones. Allerdings dürften die an Apps gewohnten Kunden eine App vermissen, die sie im entsprechenden Store herunterladen und auf ihrem Smartphone installieren können. Zum geringen Mehrwert einer solchen Lösung kommt der beträchtliche Aufwand hinzu, der dadurch entsteht, dass mehrere Plattformen (iOS, Android, WebOS, Win7 u.a.) bedient werden sollten. Vielleicht lassen sich die Bibliothekskunden von der Weblösung überzeugen, wenn man ein attraktives Icon hinterlegt, ein sog. Favicon, das auf dem Screen des Smartphones oder Tablets als Bookmark abgespeichert werden kann. 

3. Der mobile Katalog

Herzstück einer mobilen Bibliotheksanwendung muss natürlich der Katalog sein. Die ETH-Bibliothek hat ja ihre neue Homepage5rund um den Suchschlitz aufgebaut. Und bei der mobilen Version gilt noch verstärkt: je weniger und je übersichtlicher, desto besser. Die erweiterte Suche wird schon am PC nur selten genutzt, noch viel seltener beim Zugriff von unterwegs via Smartphones.

Die grossen Bibliothekssysteme bieten heute oder in naher Zukunft alle auch eine mobile Version des Katalogs. Die ETH-Bibliothek wird für sich und den NEBIS-Verbund mit der Version Primo 3 einen integrierten mobilen Katalog anbieten können6. Somit wird die Suche und der Bestellvorgang über eine einfachere, für Smartphones optimierte Oberfläche erfolgen.

Einzelne Bibliotheken, im deutschsprachigen Raum allen voran die Bayerische Staatsbibliothek, haben eigene Lösungen entwickelt. In der Umsetzung scheint diese Anwendung noch etwas überladen.

Neben der Recherche sollte die mobile Anwendung auch Zugriff auf das Benutzerkonto geben, damit auch von unterwegs Verlängerungen vorgenommen werden können oder der Ausleihstatus der eigenen Medien abgefragt werden kann. 

4. Ressourcen für mobile Nutzung

Der nächste Schritt im Anwendungsfall mobile Nutzung von Bibliotheksressourcen betrifft das Lesen, bzw. den Bezug der Information über mobile Endgeräte. Zum einen bieten erste Datenbanken mobile Versionen an, wie z.B. EBSCO oder IEEE. Bei IEEE kann der Volltext direkt als PDF heruntergeladen und in der gewünschten Applikation geöffnet werden.

Für die Darstellung auf dem kleinen Bildschirm eines Smartphones sind PDF-Dokumente nicht wirklich geeignet. Genau für diesen Anwendungsfall gedacht ist das E-Book-Format EPUB. Es passt sich dynamisch der Bildschirmgrösse an und ist somit für E-Book-Reader mit kleinerem Screen oder für Smartphones idealVgl. dazu Rudolf Mumenthaler, E-Book-Reader und ihre Auswirkungen auf Bibliotheken. In: Handbuch Bibliothek 2.0. Hrsg. von Julia Bergmann und Patrick Danowski. Berlin, New York 2010, S. 207–222.. Noch sind die Wissenschaftsverlage sehr zurückhaltend im Anbieten von E-Books in diesem Format. Nur gerade Palgrave Connect wagt einen Versuch mit DRM-freien und kompletten E-Books im EPUB-Format7. Aber die Bibliotheken und Hochschulen haben es selbst in der Hand, wenigstens eigene Publikationen in diesem mobilfreundlichen Format anzubieten. Die ETH E-Collection, der Dokumentenserver der ETH Zürich, bietet die Möglichkeit, Dokumente in mehreren Formaten abzulegen, auch im EPUB-Format. Testweise versucht hat das die ETH-Bibliothek mit einigen ausgewählten Dokumenten8ment wird in drei Formaten angeboten: PDF, Mobi (für Kindle) und EPUB: http://e-collection.ethbib.ethz.ch/view/eth:41815..

Beim Angebot von Informationsressourcen für mobile Geräte müssen Verlage und Bibliotheken noch über die Bücher gehen. Das gängige Modell, wonach die Wissenschaftsverlage E-Books kapitelweise im PDF-Format anbieten, ist einzig beim Zugang für Hochschulangehörige kundenfreundlich. Aber der Nutzer muss mühsam die heruntergeladenen Kapitel umbenennen und in die richtige Ordnung bringen – wobei es ihm gemäss Lizenzvertrag nicht erlaubt ist, das komplette Buch herunterzuladen. Hier laufen die Verlage Gefahr, dass sie die gutwilligen User auf benutzerfreundlichere, aber illegale Wege drängen.

5. Fazit

Die mobile Nutzung des Internets nimmt rasant zu. Auch Bibliotheksdienstleistungen werden immer häufiger mobil nachgefragt werden. Bibliotheken müssen entsprechend ihre Angebote darauf ausrichten, dass Kunden von unterwegs mittels Geräten mit kleinen Bildschirmen auf ihre Dienste zugreifen möchten. Neben den für die mobile Nutzung optimierten Websites müssen auch die Ressourcen in geeigneten Formaten angeboten werden. Dabei liegt der Ball primär bei den Verlagen, denn die heutigen Angebote sind noch alles andere als kundenfreundlich. Die Bibliotheken können aber mit gutem Beispiel vorangehen und ihre eigenen Ressourcen und Publikationen in den entsprechenden Formaten anbieten. Hochschulbibliotheken könnten so weit gehen und einen entsprechenden Publikationsservice für die Angehörigen der Universität anbieten.

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Rudolf Mumenthaler


Rudolf Mumenthaler (BIS) ist seit 2012 Professor für Bibliothekswissenschaft an der HTW Chur. Er ist Vorstandsmitglied BIS und Mitherausgeber der Zeitschrift Informationspraxis. Mehr in seinem Blog: http://ruedimumenthaler.ch

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Les livres électroniques et les appareils mobiles sont considérés comme les technologies les plus importantes de l’année par le Horizon Report 2011. Les bibliothèques doivent elles aussi s’adapter au fait que les usagers accèdent de plus en plus souvent à leurs services par le biais d’appareils dotés d’écrans de petites tailles et de connexions internet plutôt lentes (et chères). En de nombreux points, le comportement d’utilisation n’est pas le même avec un appareil portable qu’avec un PC stationnaire. En outre, les appareils mobiles modernes possèdent de nouvelles fonctionnalités auxquelles les utilisateurs se sont très vite habitués. Et l’auteur de se poser la question de savoir ce que cela signifie pour les bibliothèques.

Il rappelle dans un premier temps qu’il existait déjà des prestations mobiles avant l’ère du smartphone. Il y a des années, en effet, le débat portait par exemple sur les pages WAP simplifiées (Wireless Application Protocol). Autre précurseur: l’alerte par SMS, comme la bibliothèque de l’EPFZ le propose depuis quelque temps, un service qui a été utilisé l’an passé par 26 000 clients, tandis que chaque mois quelque 7000 SMS sont envoyés.

Mais c’est évidemment le catalogue qui doit être au coeur d’une application mobile conçue pour une bibliothèque. La bibliothèque de l’EPFZ a structuré sa nouvelle homepage autour du masque de recherche. Le principe appliqué pour la version mobile est le suivant: faire dans la simplicité et donc permettre un maximum de visibilité. Quant à la recherche élargie via PC, elle n’est que rarement utilisée, encore plus rarement via smartphone.

Outre des sites web optimisés pour l’utilisation mobile, il faut également offrir les ressources dans des formats appropriés. La balle est ici dans le camp des éditeurs, car les offres actuelles sont tout sauf conviviales. Les bibliothèques peuvent néanmoins proposer leurs ressources et leurs publications dans des formats en propre. Les bibliothèques universitaires pourraient même aller jusqu’à offrir un service de publication correspondant pour les membres de l’université.