Dokumentationsbibliothek St. Moritz
Corina Huber, langjährige Leiterin der Dokumentationsbibliothek St. Moritz, beantwortet einige Fragen über die Dokumentationsbibliothek und ihre Sammlung.
Frau Huber, seit wann gibt es die Dokumentationsbibliothek? Wie ist sie entstanden? 15 Jahre lang versuchte eine Interessengemeinschaft aus Privatpersonen und Politikern, deren Anliegen die Geschichte und Kultur des Ortes war, die Dokumentationsbibliothek ins Leben zu rufen. Anlass war die Feststellung, dass aus den Beständen des Kurvereins und der Gemeinde viele Fotos, Plakate und sonstige Dokumente für unterschiedliche Zwecke (Forschung, Journalismus etc.) gebraucht wurden. Die Kontrolle und die Verwaltung der Objekte jedoch fehlten, und viele auch wichtige Dokumente verschwanden und waren nicht mehr auffindbar. 1987 begann die erste Bibliothekarin, Tina Tesfaye, die Dokumente zu systematisieren. Zwei Jahre später beschloss die Gemeindeversammlung die Gründung der Dokumentationsbibliothek.
Wie sieht die Organisation der Institution aus? Von wem wird sie getragen?
Die Dokumentationsbibliothek ist ein Gemeindebetrieb und wird von der Gemeinde getragen. Eine Kommission, bestehend aus Gemeinderäten und Fachpersonen, kontrolliert die Budgets und die Jahresprogramme. Es arbeiten vier Personen in unterschiedlichen Teilzeitpensen (total 150 Stellenprozent) in der Bibliothek.
Was beinhaltet die Sammlung, welche Themen und Medien?
Grundlage der Sammlung sind die Bestände des Kurvereins und der Gemeinde St. Moritz. Sie umfasst die unterschiedlichsten Medien: Bücher, Zeitungen und Zeitschriften, Gemälde, Pläne, Prospekte, Plakate, Videos, Filme, DVDs, Kassetten, Fotos etc.
Schwerpunkt ist alles von und über St. Moritz, von der Vergangenheit bis zur Gegenwart. Dies umfasst die Baugeschichte, die touristische Entwicklung, Personen in und aus St. Moritz etc.
Wie kommen neue Dokumente/Objekte in die Sammlung? Schaffen Sie diese aktiv an, oder sind es hauptsächlich Schenkungen, die den Bestand heute erweitern?
Beides, wobei der weitaus grössere Teil
Schenkungen und Nachlässe sind. So
erhielten wir letztes Jahr den Nachlass
eines Fotografen, der ein Geschäft in
St. Moritz betrieben hat. Seine Erben
fanden, die Bilder sind in der Dokumentationsbibliothek gut aufgehoben
und können so einem breiteren Publikum zur Verfügung stehen. Das Vertrauen in den fachgerechten Umgang
und die sorgfältige Aufbereitung ist ein
Resultat der über 20-jährigen Arbeit
der Dokumentationsbibliothek.
Die strikte Definition des Sammlungsschwerpunkts erleichtert die Auswahl von Neuzugängen und die Einhaltung des Sammlungskonzepts.
Wer kann diese einzigartige Sammlung nutzen? Wie kann sie genutzt werden, und von wem wird sie genutzt?
Die Sammlung ist für ein breites Publikum nutzbar, es ist jedoch eine Präsenzbibliothek ohne Ausleihe. Die Arbeitsplätze in der Bibliothek werden gerne benutzt für Recherchen in den einmaligen Beständen von grauer Literatur und historischen Zeitungen.
Einmalig ist die Recherche in der Bilddatenbank, die online zugänglich ist. Sie umfasst rund 13000 Bilder, die systematisch erfasst und erschlossen sind. Die Bilder sind eine ausserordentlich reiche Quelle für unterschiedlichste Forschungs- und Publikationszwecke. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel wird die Datei momentan überarbeitet und die Funktionalität verbessert.
Unsere Kunden sind Journalisten, Autoren, Schüler und Studenten oder Forscher, die sich mit den Themen St. Moritz, Tourismus, Wintersport etc. beschäftigen. Aber auch interessierte Feriengäste und Einheimische, die sich für bestimmte ortsspezifische Fragen interessieren, zählen zu den Besuchern.
Gibt es besondere Anlässe, die die Dokumentationsbibliothek organisiert oder an denen sie teilnimmt?
In Zusammenarbeit mit dem Kulturhotel Laudinella organisiert die Dokumentationsbibliothek die Gesprächsreihe «Das Engadin leben». Dies sind Publikumsveranstaltungen mit einheimischen Exponenten aus Kultur, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft, die im Sinn von Oral History über ihr Leben im Engadin berichten.
Die Dokumentationsbibliothek betreut die Design Gallery im Treppenhaus des Parkhauses Serletta. Auf der langen Rolltreppe, die vom See ins Dorf hinaufführt und von unzähligen Besu- chern genutzt wird, können in 31 grossformatigen Leuchtplakatstellen Bilder und Plakate gezeigt werden. Die Ausstellung wechselt zweimal jährlich und bietet die viel beachtete und geschätzte Möglichkeit, auf die Bild- und Plakatbestände der Dokumentationsbibliothek aufmerksam zu machen.
An der Museumsnacht, die seit fünf Jahren stattfindet, beteiligt sich die Dokumentationsbibliothek zusammen mit den Museen in St. Moritz in Organisation und Durchführung.
Die Sammlung der Dokumentationsbibliothek umfasst einen einzigartigen Bestand, in dem sich zweifellos viele aussergewöhnliche Dokumente befinden. Was sind einige besondere Highlights darin?
Unsere grosse Plakatsammlung, die vor allem Tourismusplakate und Plakatentwürfe aus St Moritz umfasst, ist aussergewöhnlich, aber auch das Stereoskop, mit dem man 3D Fotos ansehen kann, eine Technik, die schon seit dem 19 Jahrhundert existiert. Darüber hinaus lagern bei uns Filme ab 1927 von verschiedenen Autoren in unterschiedlichen Formaten. Darunter sind Werbefilme, Sportreportagen oder dokumentarische Werke.
Gibt es in der Sammlung ein Stück, dass Ihnen ganz persönlich am Herzen liegt? Und wenn ja, warum?
Ich liebe vieles, was es nicht immer einfach macht. Ein Lieblingsstück ist das Rundpanorama der Raethischen Alpen und Ober-Engadin von E.E. Schaffner aus dem Jahr 1836.
Wie sehen die Pläne für die Zukunft der Dokumentationsbibliothek aus?
Wir möchten die Befragung alter Einheimischer vorantreiben, um das Leben von damals besser zu dokumentieren.
Für unsere umfangreiche Plakatsammlung haben wir einen neuen Lagerraum erhalten, der den konservatorischen Bedürfnissen der Plakate besser entspricht. Eine grosse Herausforderung ist der Umzug, der uns eine Zeitlang beschäftigen wird.
Ein Fernziel ist, mit dem Institut für Medienwissenschaften der Universität Basel die historische Fremdenzeitung «Engadin Express & Alpine Post», deren Ausgaben von 1900 bis 1939 digitalisiert sind, in die neue Bilddatenbank zu integrieren und die Inhalte mit den Bildern zu verknüpfen.
Mit der Kantonsbibliothek Chur arbeiten wir in einem kantonalen Projekt zusammen, dessen Ziel es ist, eine zentrale Plattform für audiovisuelle Medien zu schaffen.
Mit der Nationalbibliothek, dem
Museum für Gestaltung und verschiedenen anderen Institutionen sind wir
in Kontakt, um einen gesamtschweizerischen elektronischen Plakatkatalog
zu erstellen.
Das Institut für Landschaft der ETH Zürich arbeitet mit uns zusammen an einem Forschungsprojekt, das in 3-D-Scans der Landschaft Bilder aus dem Archiv integrieren soll.
Das Interview wurde geführt von Katja Böspflug, Redaktion arbido.
Die Geschichte
Noch bis vor rund 150 Jahren war St. Moritz ein kleines, abgeschiedenes Bergdorf, das vor allem bekannt war für seine Heilquelle in St. Moritz Bad, die von Paracelus 1537 beschrieben wurde. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Hotels und die Entwicklung des Ortes zu einem beliebten, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Kurort nahm seinen Lauf. Seit den 1870er-Jahren wurde St. Moritz auch als Winterdestination bekannt. Die Gäste, vorwiegend Engländer, beschäftigten sich mit neuen Sportarten und organisierten sich. So entstanden in St. Moritz unter anderem der Curlingclub, der Cresta- und der Bobclub. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wagte man die ersten Schritte auf Skiern. Mit der Erschliessung durch die Eisenbahn 1904 wurde die Reise nach St. Moritz schliesslich nicht nur wesentlich einfacher und bequemer, sondern auch erschwinglicher. Nun konnte sich nicht nur mehr eine privilegierte Oberschicht einen Aufenthalt im Oberengadin leisten. Durch die Olympischen Winterspiele in den Jahren 1928 und 1948 wurde der Name St. Moritz in der ganzen Welt bekannt.
Die 1989 gegründete Dokumentationsbibliothek, die sich zusammen mit der Leihbibliothek mitten in St. Moritz im umgebauten Feuerwehrlokal im ehemaligen Schulhaus aus dem Jahre 1886 befindet, sammelt die vielfältigen Dokumente zur Geschichte des Ortes und macht sie auf verschiedene Weise, sowohl innerhalb wie auch ausserhalb der Bibliothek, öffentlich zugänglich.
Abstract
- Français
La bibliothèque de St-Moritz créée en 1989 collecte et répertorie les multiples documents retraçant l’histoire du lieu et les rend accessibles au public de diverses manières, que ce soit sur place ou à l’extérieur de ses locaux. Corina Huber, directrice de la bibliothèque depuis de nombreuses années, répond dans cette interview aux questions concernant la collection et les activités du centre. Il comprend les médias les plus divers, tels que livres, journaux et revues, peintures, plans, prospectus, affiches, vidéos, films, DVD, cassettes, photos, etc.
La priorité du centre est de rassembler tout ce qui concerne St-Moritz, du passé au présent. Une collection qui s’appuie sur l’histoire architecturale, le développement touristique et les personnalités qui y vivent ou qui en sont originaires. (sg)