Die ersten zwanzig Jahre der KOST
Das Jubiläum ist gleichermassen Anlass für einen Rückblick wie für einen Ausblick. Der vorliegende Artikel fasst die Geschichte der KOST zusammen und ordnet deren wichtigste Ergebnisse ein.
Genese der KOST
Die Genese und die ersten Jahre der KOST wurden bereits mehrfach dargestellt1, so dass sich der Rückblick hier auf eine kurze Nennung der wichtigsten Daten und Meilensteine beschränken kann. Ausgangspunkt aller bisherigen Betrachtungen war jeweils die sogenannte «Strategiestudie»2, die 2002 auf Initiative des Vereins Schweizerischer Archivar:innen (VSA) und der Konferenz der leitenden Archivarinnen und Archivare auf Kantons- und Bundesebene sowie des Fürstentums Liechtenstein (KLA CH/FL, heute Schweizerische Archivdirektorinnen- und Archivdirektorenkonferenz ADK) publiziert wurde. Sie erarbeitete einen Überblick über die damals als neue zentrale Herausforderung erkannte Problematik der digitalen Unterlagen und legte Handlungsoptionen dar. Die Hauptforderung der Strategiestudie, eine gemeinsame Koordinations- und Beratungsstelle zu schaffen, wurde zügig umgesetzt: 2003 beschlossen Bund, Kantone und das Fürstentum Liechtenstein, eine Verwaltungsvereinbarung3 abzuschliessen, die bereits 2004 von genügend Trägern ratifiziert wurde, so dass die KOST ihre Arbeit aufnehmen konnte, mit 20 Trägern und einem Etat von 120 Stellenprozenten.
Struktur
Nach diversen Fluktuationen umfasst die KOST zum Redaktionsschluss dieses Artikels 31 Träger: öffentliche Gemeinwesen auf allen drei staatlichen Stufen, nämlich 2 Länder (Schweiz und Liechtenstein), 23 Kantone und 5 Kommunen; dazu kommt eine Institution, die Universität Zürich. Verantwortet wird die Arbeit der KOST von der Aufsichtskommission, in der die Leiterinnen und Leiter der jeweiligen Archive die Interessen der Träger vertreten. Die operative Leitung liegt in den Händen eines fünfköpfigen Steuerungsausschusses, der die organisatorische und sprachliche Zusammensetzung der KOST möglichst genau abbildet. Operatives Organ ist die Geschäftsstelle mit zurzeit drei Mitarbeitenden (190 Stellenprozente), die seit Beginn Gastrecht im Schweizerischen Bundesarchiv geniesst.
Potenzial und Limiten der Koordination
Die Chancen und Risiken, die Vor- und Nachteile der Koordination und Kooperation im Bereich der digitalen Archivierung habe ich in zwei Referaten in den Jahren 2012 und 2015 analysiert4. Die damals präsentierten Erkenntnisse bleiben auch ein Jahrzehnt später gültig: Der Effizienzgewinn durch eine Koordination und teilweise Zusammenführung der Aktivitäten ist unbestritten. In erster Linie sind es Aufgaben im Bereich der Grundlagen und gemeinsamen Ressourcen, die sinnvollerweise bei einer Koordinationsstelle angesiedelt werden. Für ihre eigene Arbeit bleiben die Trägerarchive selbst verantwortlich. Den grossen Raum zwischen Grundlagenarbeit und konkreter Archivierung vor Ort gilt es klug zu analysieren, um Gemeinsamkeiten und Zusammenarbeitspotenzial zu erkennen oder aktiv zu fördern. Dies erfordert ein stetiges Hinterfragen der Arbeit der KOST und eine detaillierte Abstimmung mit den Trägern, damit die Ressourcen der Geschäftsstelle auf ideale Weise eingesetzt werden.
Die wichtigsten Aktivitäten
Die KOST-Website bietet einen umfassenden Überblick über das Angebot der KOST. Mit Hilfe des vierteljährlichen Newsletters lassen sich auch dessen Entwicklung und die Schwerpunktsetzung gut nachvollziehen. Das folgende Kapitel hebt exemplarisch einige besonders wichtige Punkte hervor.
Standards
Um Normen und Standards zu entwickeln und zu unterhalten, sind personelle Ressourcen nötig, die im Tagesgeschäft eines Archivs nur schwer bereitzustellen sind. Es ist deshalb naheliegend, diese Arbeit zum grossen Teil an eine Koordinierungsstelle auszulagern. Die KOST engagiert sich hier in zweierlei Hinsicht. Einerseits nimmt sie seit 2011 die Leitung sowie grosse Teile der inhaltlichen Arbeit in der eCH-Fachgruppe Digitale Archivierung wahr5. Anderseits unterhält die KOST seit 2007 ihren Katalog archivischer Dateiformate6. Ursprünglich aus einem Projekt entstanden, liegt dieser inzwischen in der Version 7.0 vor und dokumentiert über 50 Dateiformate aus neun Kategorien. Alle Formate sind gemäss einem Kriterienraster bewertet, was objektive Quervergleiche ermöglicht und die Formatauswahl in den Archiven unterstützt.
Projekte
Die richtige Mischung bei der Auswahl und Definition gemeinsamer Projekte zu finden, ist nicht trivial: Projekte entspringen oft einem individuellen Interesse eines oder weniger Archive, haben aber gerade in einem föderalistischen Staat das Potenzial für Synergien und generalisierbare Resultate. Die KOST trägt dieser Interessensabwägung Rechnung, indem sie Gemeinschaftsprojekte ihrer Trägerarchive personell und organisatorisch unterstützt, sofern sich mindestens drei Archive daran beteiligen und das Resultat von allgemeinem Interesse ist oder eine Interoperabilitätslösung anstrebt.
Eine zusätzliche Rolle in der Projektkoordination hat die KOST 2022 übernommen: Sie führt seit diesem Jahr das Koordinationsgremium ebenenübergreifende Informationssysteme. Eine ganze Reihe von digitalen Informationssystemen vermischt in unterschiedlicher Weise die staatlichen Ebenen (Bund und Kantone), Zuständigkeiten und Datenhoheiten. Um Überlieferungslücken zu vermeiden, ist eine systematische Koordination der verschiedenen Akteure unabdingbar. Diese Abstimmung kann ihrerseits wieder zu gemeinsamen Archivierungsprojekten führen.
Tools
In den 2010er Jahren stiess die KOST-Geschäftsstelle bei ihrer Arbeit wiederholt auf Lücken im existierenden Softwareangebot: kleinere Aufgaben, für die kein brauchbares Tool existierte, oder neue Bedürfnisse, die mit der Entwicklung von Standards und Prozessen entstanden und noch nicht abgedeckt waren. Mehrfach beschloss die KOST deshalb, diese Lücken durch Eigenentwicklungen zu füllen. Zu nennen sind die Validatoren für das Submission Information Package (SIP) gemäss dem Standard eCH-0160 und für Dateien im SIARD-Format, die inzwischen beide in einem breiteren Validator für archivische Dateiformate, KOST-Val, aufgegangen sind; ein einfacher Konverter von CSV-Dateisammlungen ins besser standardisierte SIARD-Format (csv2siard); ein Tool zum optischen Vergleich von Bildern (KOST-Simy) oder ein Benutzungs-Frontend für SIARD-Dateien (SIARDexcerpt). Keines dieser Tools war grundsätzlich auf Dauer angelegt. Das Ziel war vielmehr, im Sinn eines Proof of Concept die Machbarkeit einer Idee aufzuzeigen und bessere, kommerzielle oder offene Lösungen vorwegzunehmen. Der Unterhalt einer wachsenden Softwarekollektion ist mit den gegebenen Ressourcen nicht machbar. Deshalb stellte die KOST die Weiterentwicklung sämtlicher Tools ein, mit der Ausnahme von KOST-Val, der in den Trägerarchiven weit verbreitet (nahezu drei Viertel aller Träger benutzen ihn) und dort teils von strategischer Bedeutung ist7.
Terminologie
Gewissermassen ein Nebeneffekt der langjährigen Arbeit der KOST ist die Etablierung einer ausführlichen, sorgfältig kuratierten und weiterentwickelten zweisprachigen Fachterminologie auf Deutsch und Französisch. Die KOST war von Anfang an zweisprachig und musste sich den damit verbundenen Herausforderungen stellen. Ein Fachwörterbuch Deutsch-Französisch, basierend auf dem Verzeichnis nützlicher Begriffe für Schweizer Archive des VSA, ist die Grundlage für die zweisprachige Kommunikation8. Sehr stark nimmt aber auch die praktisch durchgehend zweisprachige Website der KOST eine Leuchtturmfunktion für Archivterminologie wahr. Mit dem Beitritt des Kantons Tessin zur KOST Anfang 2023 wurde die KOST dreisprachig. Eine erste Version der italienischen Website wurde maschinell übersetzt. Diese Texte werden aktuell schrittweise redigiert und kuratiert, damit auch die italienische Terminologie den hohen Ansprüchen der KOST und den Erwartungen an sie genügt.
Archivberatung
Am individuellen Ende der Skala steht die Einzelberatung der Trägerarchive bei Fragen der digitalen Archivierung. Oft genügt dafür ein telefonischer oder E-Mail-Austausch. Die Träger haben aber auch die Möglichkeit, die Mitarbeitenden der KOST zum Selbstkostenpreis für grössere Aktivitäten wie eine Projektbegleitung oder einen Review zu engagieren. Solche Engagements sind selten (durchschnittlich eines pro Jahr), werden aber sehr geschätzt und können für ein Trägerarchiv eine grosse punktuelle Erleichterung sein9.
Fazit
Im Lauf der Jahre hat die KOST ihr Portfolio schrittweise ausgebaut und laufend an neue Anforderungen angepasst. Die Breite des Angebots ermöglicht praktisch allen Trägerarchiven, selber konkret davon zu profitieren. Leitschnur war immer der möglichst effiziente Einsatz der beschränkten Mittel. Dabei galt es, zwei Fehlannahmen auszuweichen, die den Radius einer Institution wie der KOST einzuschränken drohen: dass die digitale Archivierung eine Spezialaufgabe der Archive sei, und dass sie an eine Fachstelle beziehungsweise an spezialisierte Mitarbeitende delegiert werden könne.
Beides ist nicht komplett falsch. Neben der immer noch fast ungebremst andauernden Übernahme, Konservierung und Vermittlung von analogem Archivgut ist die digitale Archivierung weiterhin ein Teilaspekt archivischer Arbeit, und dafür ist spezialisiertes Wissen unabdingbar. Inzwischen ist aber eine andere Sichtweise näher bei der Realität: Archive sind in Zukunft digital geprägte Institutionen – auch in Bezug auf ihre analogen Bestände. Der Beruf der Archivarin, des Archivars wandelt sich, und diese Wandlung kann und soll nicht auf einige Mitarbeitende begrenzt werden, sondern muss die ganze Institution durchdringen. Mit ihrer aktuellen Strategie 2022-2610 und dem darauf aufbauenden Massnahmenplan begreift die KOST diesen Wandel als Gelegenheit zu noch stärkerer Zusammenarbeit und Austausch und erhebt den Anspruch, ihn aktiv mitzugestalten.
Anmerkung: Dieser Artikel ist die gekürzte Fassung des ersten Teils des Rückblicks und Ausblicks zu 20 Jahren KOST, der in ABI Technik erschienen ist: Georg Büchler, „20 Jahre Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST): Rückblick und Ausblick“, in ABI Technik, vol. 44, no. 1, 2024, 48-55. Für weitere Details sei ausdrücklich auf diesen Originalartikel verwiesen. Ich danke Konstanze Söllner, Redaktionsleiterin der ABI Technik, für das Einverständnis, Teile dieses Artikels in arbido erneut zu publizieren.
Der Artikel beruht im Wesentlichen auf meiner Arbeitserfahrung als wissenschaftlicher Mitarbeiter/Archivar (November 2004 bis Juli 2023 ) sowie als Leiter der Geschäftsstelle der KOST (zusätzlich seit November 2021). Ich danke Dr. Claudia Engler, Vorsitzende des Steuerungsausschusses, Dr. Beat Gnädinger, ehemaliges Mitglied des Steuerungsausschusses, sowie Isabelle Mehte-Iser, Leiterin der Geschäftsstelle der KOST, für die Durchsicht und Korrektur des Artikels. Die Verantwortung für allfällige Fehler liegt selbstverständlich bei mir. Alle Hyperlinks wurden zuletzt am 17.07.2024 geprüft und waren funktionell.
- 1 Siehe für die ersten Jahre der KOST Büchler Georg, "Die KOST: Ein kooperativer Ansatz zur digitalen Archivierung in der Schweiz", In: Hoen Barbara (ed.), Planungen, Projekte, Perspektiven. Zum Stand der Archivierung elektronischer Unterlagen. 10. Tagung des Arbeitskreises “Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen”, 14. und 15. März 2006 in Düsseldorf, Düsseldorf: Veröffentlichungen des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen 10, 2006, S. 83–88.; Büchler Georg, "KOSTPROBE – Erste Erfahrungen mit der Übernahme elektronischer Unterlagen aus Fachanwendungen", In: Ernst Katharina (ed.), Erfahrungen mit der Übernahme digitaler Daten. Elfte Tagung des Arbeitskreises “Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen” vom 20./21. März 2007, ausgerichtet vom Stadtarchiv Stuttgart, Stuttgart: Veröffentlichungen des Archivs des Stadt Stuttgart, 2007, S. 78–81. Zur Einordnung der Arbeit der KOST in die Aktivitäten zur digitalen Archivierung seit der Jahrtausendwende in der Schweiz siehe Coutaz Gilbert, "Histoire de l’AAS (1997-2022) - Coordination dans le domaine de…", arbido, 2. 2022: https://www.arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2022/auf-historischen-spuren/coordination-dans-le-domaine-de-larchivage-electronique#entry:101926@1:url; Zeller Jean-Daniel, "25 ans de développement de l’archivage électronique en Suisse…", arbido, 2, 2022: https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2022/auf-historischen-spuren/25-ans-de-developpement-de-larchivage-electronique-en-suisse-1995-2021
- 2 Association des archivistes suisses und Conférence des directrices et directeurs d’archives suisses CDA (ed.), Gesamtschweizerische Strategie zur dauerhaften Archivierung von Unterlagen aus elektronischen Systemen (Strategiestudie), Berne: PricewaterhouseCoopers, 2002, https://vsa-aas.ch/ressourcen/records-management/strategiestudie-2002
- 3 „Verwaltungsvereinbarung über die Zusammenarbeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit den Kantonen, Gemeinden und dem Fürstentum Liechtenstein bezüglich Errichtung und Betrieb einer Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST)“ (2019), https://www.fedlex.admin.ch/eli/fga/2019/1110/de
- 4 Siehe Büchler Georg, "Die KOST: Sieben Jahre Good Practice“, In: Keitel Christian, Naumann Kai (ed.), Digitale Archivierung in der Praxis, Bd. A 24, Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Stuttgart: W. Kohlhammer, 2013, S. 289–95, https://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/A24_Digitale_Archivierung_in_der_Praxis_Text.pdf., und Büchler Georg, "So funktioniert archivische Kollaboration - und so nicht", In: Maissen Anna Pia, Müller Peter (ed.), Vernetzung und Kollaboration von Archiven. Vorträge des 75. Südwestdeutschen Archivtags am 18. und 19. Juni 2015 in Rottenburg am Neckar, Stuttgart: W. Kohlhammer, 2016, S. 39–43.
- 5 „Digitale Archivierung | eCH E-Government Standards“, https://ech.ch/de/der-verein/fachgruppen/digitale_archivierung.
- 6 „Katalog archivischer Dateiformate“ (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen), https://kost-ceco.ch/cms/dateiformate.html
- 7 KOST-Val ist erhältlich und dokumentiert auf GitHub, „GitHub - KOST-CECO/KOST-Val: The KOST-Val application is used for validate TIFF, SIARD, PDF/A, JP2, JPEG, PNG, XML-Files and Submission Information Package (SIP).“, https://github.com/KOST-CECO/KOST-Val. Auf der GitHub-Seite der KOST sind auch die übrigen, nicht weiter unterhaltenen Tools weiterhin verfügbar, siehe „KOST-CECO · GitHub“, zugegriffen 2. Oktober 2023, https://github.com/KOST-CECO
- 8 „Fachbegriffe deutsch-französisch“ (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen), https://kost-ceco.ch/cms/fachbegriffe-deutsch-franzoesisch-1.html
- 9 Siehe dazu beispielsweise den Bericht von Leonardo Broillet zur Zusammenarbeit der KOST mit dem Staatsarchiv des Kantons Freiburg: Broillet Leonardo, "CECO (KOST) et Archives de l’Etat de Fribourg : compte rendu d’une collaboration", arbido, 2, 2016, https://arbido.ch/de/ausgaben-artikel/2016/ausgelagert-eingekauft-fremdbeschafft/ceco-kost-et-archives-de-letat-de-fribourg-compte-rendu-dune-collaboration
- 10 „Strategie 2022-26“ (Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen), https://kost-ceco.ch/cms/strategie-2022-de-1.html
Abstract
- Français
- Deutsch
Le Centre de coordination pour l'archivage à long terme de documents électroniques (CECO) soutient depuis 20 ans les archives publiques suisses dans tous les aspects de l'archivage numérique. Ses activités vont de la standardisation au soutien individuel de ses membres, en passant par la recherche et l'accompagnement de projets.
Die Koordinationsstelle für die dauerhafte Archivierung elektronischer Unterlagen (KOST) unterstützt seit 20 Jahren öffentliche Archive in der Schweiz in allen Aspekten der digitalen Archivierung. Ihre Aktivitäten reichen von der Standardisierung über Forschung und Projektbegleitung bis zur individuellen Unterstützung ihrer Trägerarchive.