Transnationale Zusammenarbeit in den Alpen
Nicht weniger als acht Länder teilen sich das ausserordentliche Natur- und Kulturerbe der Alpen: Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Lichtenstein, Monaco, Slowenien und die Schweiz. Diese Staaten und ihre Regionen weisen eine Vielzahl von gemeinsamen Charakteristiken auf, sei es kulturell oder geografisch. Sie sind aber auch mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert wie etwa der Frage des transalpinen Verkehrs oder der Konsequenzen des Klimawandels, um nur zwei Bespiele von vielen zu nennen.
Es ist daher kaum erstaunlich, dass seit Langem eine intensive grenzübergreifende, transnationale Zusammenarbeit existiert und in den letzten Jahrzehnten verstärkt wurde. Dabei ist es nicht nur die gemeinsame Verbundenheit mit den Bergen, die die bisherige Zusammenarbeit vereinfachte, sondern auch die Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit beim Lösen von Problemen, die gemeinsam angegangen werden müssen. Dieser Artikel basiert auf den Instrumenten, die den ganzen Alpenbogen abdecken – die Alpenkonvention, das INTERREG-B-Programm Alpine Space und die makroregionale Strategie für die Alpen. Daneben sollten die zahlreichen lokalen Kooperationen überall in den Alpen nicht vergessen werden (Espace Mont-Blanc, ArgeAlp usw.).
Die erste Formalisierung der zwischenstaatlichen Kooperation auf der Ebene des gesamten Alpenbogens kam 1991 mit der Unterzeichnung der Alpenkonvention, dem ersten internationalen Abkommen zum Schutz des ganzen Alpenmassivs, zustande.
Die Alpenkonvention wurde von allen acht Staaten sowie der Europäischen Union (EU) ratifiziert. Es handelt sich dabei nicht um ein Finanzierungsinstrument für Projekte, sondern um eine Plattform für den Austausch und die Zusammenarbeit. Auf politischer Ebene treffen sich die Umweltminister alle zwei Jahre für eine Alpenkonferenz. Auf der technischen Ebene ermöglichen es zahlreiche Arbeitsgruppen, dass Spezialisten aus verschiedenen Bereichen sich zu ihren Praktiken austauschen und ihre Aktivitäten koordinieren können.
Das INTERREG-B-Programm Alpine Space wurde etwa zehn Jahre später gegründet. INTERREG ist eine Initiative, die von der EU Ende der Achtzigerjahre lanciert wurde, um die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Die anfänglich gegründeten Programme – die heute übrigens immer noch existieren – betreffen die klassische grenzübergreifende Zusammenarbeit zum Beispiel zwischen Basel und Mulhouse oder zwischen Genf und Annemasse. Seit 2000 werden INTERREGProgramme mit dem Ziel lanciert, Probleme anzugehen, welche grössere geografische Räume betreffen. Das INTERREG-B-Programm Alpine Space ist eines dieser transnationalen Programme und die Schweiz ist seit Beginn Teil davon. Es handelt sich dabei um ein Finanzierungsinstrument, das es erlaubt, transnationale Projekte in zahlreichen Bereichen wie Wirtschaft, Transport, Umwelt usw. zu unterhalten. Hunderte von Akteuren – nationale, regionale oder lokale Administration, Forschungsinstitute, NGOs, Unternehmen usw. – aus allen Alpenländern haben bis jetzt schon mehrere Dutzend Projekten unterstützt.
Die Alpenkonvention und das Alpine-Space-Programm sind komplementäre Instrumente. Abgesehen von ihrer unterschiedlichen Art – beim einen handelt es sich um ein internationales Abkommen, beim anderen um ein Finanzierungsinstrument – unterscheiden sich die beiden Einrichtungen auch in den Themenbereichen, die sie abdecken, und in ihrem Umfang. Die Alpenkonvention behandelt in erster Linie umweltbezogene Fragen und beschränkt sich auf das Alpenmassiv, während das Alpine-Space-Programm verschiedene thematische Bereiche umfasst und auch urbane Gebiete an der Peripherie des Alpenmassivs mit einbezieht. So ist zum Beispiel die ganze Schweiz Teil davon.
Im Verlauf des Jahres 2015 wird ein drittes transnationales Instrument Teil dieser Gruppe: die makroregionale Strategie für die Alpen. Die makroregionalen Strategien sind Instrumente der EU, die darauf abzielen, die öffentliche Politik auf den verschiedenen staatlichen Ebenen innerhalb einer grossen geografischen Zone besser zu koordinieren mit der Absicht, gemeinsame Ziele zu erreichen. Dabei handelt es sich klar um eine Strategie für die Festlegung gemeinsamer Prioritäten und nicht um ein neues Abkommen oder eine neue Institution. Die alpinen Regionen und Staaten – darunter der Bund und die Gebirgskantone – haben sich vereint, um eine solche Strategie zu fordern, und der Europäische Rat hat ihnen Ende 2013 grundsätzlich zugestimmt. Die Redaktionsphase der Strategie hat nun begonnen, die thematischen Prioritäten und ein erster Aktionsplan werden im Juli 2015 vom Europäischen Rat bewilligt werden müssen. Es könnte also eine weitere Ära in der bereits reichen Tradition der alpinen Zusammenarbeit beginnen …