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2014/4 FH-Bibliotheken – eine dynamische Entwicklung!

Fernleihe, Dschungel und Flipflops? Dozierende der ZHAW sprechen über Bibliotheken

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«Eine Bildungsstadt wie Zürich, nur persönlicher.» Mit diesem Slogan wirbt die Stadt Winterthur für sich selbst. Dass sie das Label «Bildungsstadt» verdient, zeigt sich unter anderem daran, dass sich fünf der acht Departemente der ZHAW dort befinden.Jedes Departement in Winterthur verfügte bis Juni 2014 an seinem Standort über eine ei- gene Bibliothek. Alle diese Bibliotheken wurden seit September zentralisiert. Ging womöglich durch die Zusammenlegung das Persönliche der kleinen FH-Bibliotheken verloren, findet sich nun ein neuer, departementsübergreifender Begegnungsraum für Studierende und Dozierende. Kurz vor dem Bibliotheksumzug wurden eine Dozentin und zwei Dozenten verschiedener Studiengänge befragt, wie sie zur Bibliothek ihres Departements stehen.

Annette Pfizenmayer

Wie häufig trifft man Sie in der Bibliothek Linguistik der ZHAW an? 

Das ist phasenweise ziemlich unterschiedlich. Teilweise besuche ich die Bibliothek jede Woche, auch mehrmals. Dies ist in den Phasen der Unterrichtsvorbereitung so, oder wenn ich für Projekte nach Literatur recherchiere. Es gibt aber auch Phasen, in denen ich nur zwei Mal im Monat in die Bibliothek gehe. Das Bibliotheksnetz Nebis nutze ich allerdings meistens mehrmals pro Woche.

Aus welchen Gründen gehen Sie in die Bibliothek? 

Am häufigsten nutze ich Bücher und Zeitschriften für den Unterricht und für verschiedene Projekte. Ich hole meine bestellte Literatur ab oder kopiere Artikel aus Fachmagazinen.

Was assoziieren Sie mit der Bibliothek?

Ich empfinde die Bibliothek als einen ausgesprochen angenehmen Ort. Dort herrscht eine gute Atmosphäre. Ich verbinde kompetente Mitarbeitende und ein benutzerfreundliches Recherche- und Bestellsystem mit der Bibliothek. Es ist äusserst schade, dass der Standort verlagert wird.

Welche positiven Seiten hat die Bibliothek darüber hinaus? 

Den grössten Vorteil sehe ich darin, dass sich die Bibliothek direkt bei uns auf dem Campus befindet. Man kann ohne grossen Aufwand einfach kurz vorbeigehen.Ausserdemfindeichdie Möglichkeit der kostenlosen Fernleihe fantastisch! 

Berthold Rasche

Wie stellen Sie sich die perfekte FH-Bibliothek vor? 

Das ist eine interessante Frage. In jeder Bibliothek, die ich kenne, hängt ein grosses Schild, auf dem sinngemäss steht: «Lesesaal, bitte leise, nicht stören.» Mit der Vorstellung einer Bibliothek verbinde ich immer die Idee der jüdischen Lernstuben. Das sind Orte, an die man jederzeit gehen kann, um sich auszutauschen, nicht nur um zu lesen. Klar kann man sich alleine mit einem Buch in eine ruhige Ecke setzen und niemanden stören. Das ist allerdings nicht die jüdische Idee des Lernens. In einer Lernstube sitzen mindestens zwei Lernende zusammen, diskutieren lautstark einen Text und verwickeln alle Personen in Reichweite ebenfalls in die Diskussion. So findet Lernen statt, durch Austausch, nicht durch das Le- sen und Auswendiglernen althergebrachter Texte. Die perfekte Bibliothek bestünde für mich also aus einem kleinen Teil, an dem man ganz ungestört lesen kann und vielen Nischen, Ecken und Räumen, in denen man sich zum Lernen trifft – zum Austausch.

Wenn Sie an die Bibliothek Gesundheit denken, was kommt Ihnen in den Sinn? 

Das Superpersonal. Was mir hier an der Fachbibliothek Gesundheit als Erstes auffiel, waren die Kolleginnen und Kollegen, die dort arbeiten. Sie sind immer freundlich, hilfsbereit und kompetent.

Wie haben Sie früher in der Bibliothek recherchiert, wie gehen Sie heute vor?

Als ich die ersten grösseren Hausaufgaben schreiben und die Themen argumentativ abstützen musste, habe ich mir angewöhnt, nach Stichwörtern im Gesamtkatalog zu suchen und jeweils bis zu zehn Bücher nach Hause zu schleppen. Davon habe ich dann vielleicht zwei bis drei Bücher wirklich gelesen und die restlichen brav und unbenutzt in die Bibliothek zurückgeschleppt, um das nächste Paket zu holen. Heute kreise ich das Thema im Vorfeld genauer ein, erstelle eine Liste der Treffer in der Rangfolge der vermuteten Relevanz für meine Frage und schaue mir dann Buch für Buch kurz an. Tatsächlich nehme ich vielleicht noch zwei bis drei Bücher mit. Alles, was ich innerhalb einer Woche nicht angeschaut habe, geht ungesehen zurück.

Haben Sie schon mal etwas Besonderes erlebt in einer Bibliothek? 

Ich habe an der Uni in Basel studiert. Da gibt es einen grossen Lesesaal. 2003 war dieser superheisse Sommer und alle kamen mit Flipflops. Und den ganzen Tag «flipflopte» es an den nackten Füssen, wenn die Studierenden zu oder von ihren Plätzen gingen, denn Socken waren schon damals total uncool. Schnell gewöhnte ich mir an, früh morgens da zu sein, um einen Platz in der äussersten, lärmemissionsärmsten Ecke des grossen Saals zu ergattern. Schnell stellte sich heraus, dass ich nicht der Einzige war, der diese Strategie verfolgte. Die junge Frau, die ich dadurch kennenlernte, zählt heute noch zu meinen besten Freundinnen.

Wie wird sich die FH-Bibliothek in den nächsten zehn Jahren verändern? 

Ich denke, die E-Books werden uns nachhaltig prägen. Insbesondere deshalb, weil sie im Sinne des Wortes viel leichter sind als beispielsweise ein drei Kilogramm schwerer Farbatlas von Prometheus oder der kleine Pschyrembel. So werden wir gegebenenfalls nicht mehr Schiebewände mit dicken Büchern benötigen, PC-Stationen werden wohl mehr und mehr das Bild einer Bibliothek prägen. Lesen wird zu jeder Zeit von überall aus möglich. Eine weitere Veränderung sehe ich in einer Erweiterung der Aufgaben. Eine der Hauptaufgaben bisher war, dass die Bibliotheken Wissen zur Verfügung stellten. Heute geht es aber auch um Wissensmanagement. Und ich glaube, da können die Bibliotheken noch viel mehr leisten.

Rolf Steinegger

Welche Vor- und Nachteile hat für Sie die Bibliothek der School of Engineering? 

Ich finde es super, dass sie im selben Gebäude ist, in dem ich unterrichte: Ein kurzer Weg ist mir – und wohl auch den Studierenden – sehr viel wert. Leider wird das ab diesem Sommer passé sein, weil alle FH-Bibliotheken von Winterthur zentralisiert werden. Ein grosser Nachteil für mich ist, dass in meinem Fachgebiet Verkehrsplanung/Vekehrssysteme der Bestand sehr beschränkt ist. Meistens finde ich das, was ich suche, in der ETH-Bibliothek.

Dann sieht man Sie also nicht sehr häufig in der Bibliothek? 

Genau, nur etwa einmal pro Jahr. In der Regel mache ich dann Kopien aus aus- gewählten Büchern. Das Bibliotheksnetz Nebis brauche ich jedoch ein wenig häufiger: circa zwei bis drei Mal pro Jahr. Ich schätze es sehr, wenn die Fachliteratur elektronisch erhältlich ist. Die digitalen Datenbanken gleichen jedoch oft einem Dschungel. So war ich auch schon froh um die kompetente Hilfe des Bibliothekpersonals.

Waren Sie zu Ihren Studienzeiten oft in der Bibliothek anzutreffen? 

Nein, da war ich wohl wie viele Studie- rende heute: Ich bekam am liebsten alles pfannenfertig kompakt in einem Skript, sodass sich zusätzliche Literatur oder Recherchen erübrigten. Zudem mussten wir uns zum Lernen nicht in die Bibliothek setzen, da jeder ETH-Student im Lesesaal einen eigenen Arbeitsplatz inklusive «Schränkli» hatte.

Was empfehlen Sie Ihren Studierenden bezüglich der Bibliothek? 

Ehrlich gesagt bin ich nicht so ein Bib- liotheksapostel, obwohl ich Bibliotheken eine gute und wichtige Sache finde. Würde ich mehr Bachelorarbeiten betreuen, sähe dies wohl anders aus. Es kommt hinzu, dass ich das Gefühl habe, dass die Studierenden sowieso in der Regel übers Internet recherchieren und nicht nur über das Bibliotheksnetz – wenn überhaupt.

Erinnern Sie sich an ein spezielles Erlebnis in irgendeiner Bibliothek?

Per Zufall bin ich auf eine wahre Fundgrube gestossen: eine kleine, handgestrickte, nicht katalogisierte Bibliothek der Non-Profit-Organisation «Regionalplanung Zürich und Umgebung» RZU. Dort fand ich regelrechte Schätze, die man sonst nicht findet, wie zum Beispiel einen Plan aus dem Jahre 1915 vom Hauptbahnhof Zürich, Planungsbestände aus den 60er-Jahren und die Planungen der S-Bahn aus den 80er-Jahren. Ich war so begeistert, dass ich Kopien für über 500 Franken gemacht habe.

Bio-Box

Name: Annette Pfizenmayer

Abteilung: Angewandte Linguistik, Institut für Angewandte Medienwissenschaft Seit 2005 an der ZHAW Ausbildung: Master in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: M. Sc. Kommunikationsmanagement

Name: Berthold Rasche

Abteilung: Gesundheit, Institut für Pflege Seit 2010 an der ZHAW Ausbildung: Master Nursing Science

Name: Rolf Steinegger

Abteilung: School of Engineering, Zentrum für Aviatik Seit 2008 der ZHAW Ausbildung: Diplomierter Bau-Ingenieur ETH SIA SVI EMBE

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Sarah Hilbe

Studentin Journalismus und Organisationskommunikation, ZHAW 

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Martina Seger-Bertschi

Studentin Journalismus und Organisationskommunikation, ZHAW