Schadensprävention und Notfallvorsorge in Archiven
Schadensprävention und Notfallvorsorge in Archiven. Vorträge des 71. Südwestdeutschen Archivtags am 21. Mai 2011 in Wertheim. Hg. von Anna Haberditzl und Peter Müller. Stuttgart 2012. 68 S. ISBN 978-3-17-022289-2
Das letzte arbido-Themenheft des Jahres 2010 war dem Thema der Katastrophenbewältigung und Notfallvorsorge in Archiven, Bibliotheken und Museen gewidmet. Mit einer ähnlichen Themenstellung beschäftigte sich im Mai des folgenden Jahres auch der Südwestdeutsche Archivtag, der den Bogen allerdings insofern weiter spannte, als es nicht nur um Katastrophen- und Notfallvorsorge ging, sondern auch um die Schadensprävention bei Archivgut allgemein. Die auf dem Archivtag gehaltenen Vorträge liegen zwischenzeitlich in gedruckter Form vor.
Die Notwendigkeit, sich mit dem Thema der Schadensprävention und Notfallvorsorge auseinanderzusetzen, wird nicht nur in der Einführung von Anna Haberditzl, sondern auch in mehreren der folgenden Beiträge (Alexandra Jeberien, Claudia Wieland) betont: Angesichts der zahlreichen Katastrophen, bei denen Archiv- und Bibliotheksgut in den letzten Jahren in Mitleidenschaft gezogen wurde, führe kein Weg an einer Beschäftigung mit Fragen der Notfallvorsorge vorbei.
Ein Erfahrungsbericht von Mireille Othenin-Girard vom Staatsarchiv des Kantons Basel-Landschaft von einer Überflutungskatastrophe in einem Behördenarchiv in Laufen leitet den Band ein. Die Erkenntnisse, die aus diesem Schadensfall gewonnen werden konnten, decken sich zum Teil mit den Empfehlungen, die Birgit Geller in ihrem Beitrag zur «Erstversorgung von geschädigtem Schriftgut» gibt: Vor einer Gefriertrocknung von durchnässtem Schriftgut sollte dieses gereinigt werden, da sich andernfalls Verschmutzungen kaum noch (oder nur schwer) entfernen lassen; die Verpackung von Registratur- oder Archivgut in Schachteln ist eine wichtige (und gleichzeitig einfache) Massnahme, die dazu beiträgt, Schäden im Katastrophenfall zu begrenzen. B. Geller gibt darüber hinaus zahlreiche praktische Hinweise zur Vorgehensweise bei der Bergung verschiedener Arten von Schriftgut bei Wasserschäden und stellt eine Liste von Kriterien auf, nach der eine Priorisierung bei der Rettung und Erstversorgung von geschädigtem Schriftgut erfolgen sollte – nämlich nach Material und Schadensart und «unabhängig von der Wertigkeit des geschädigten Archivguts unter archivfachlichen Gesichtspunkten» (S. 34). In seinem Beitrag zum eingangs erwähnten arbido- Themenheft forderte Andrea Giovannini dagegen eine inhaltliche Priorisierung der Bestände für die Notfallplanung nach kulturellen, historischen, finanziellen oder juristischen Gesichtspunkten, während in der Flutkatastrophe in Laufen eine Einteilung der zu bergenden Unterlagen nach Tagesgeschäften 1. Priorität, Tagesgeschäften 2. Priorität und Kassationsgut vorgenommen wurde. Dies zeigt, dass im Schadensfall durchaus verschiedene Kriterien der Priorisierung angewandt werden bzw. in Widerspruch zueinander geraten können.
Mit dem Thema Hochwasser beschäftigt sich auch der Beitrag von Claudia Wieland «Vorbereitung auf den Ernstfall », der die Umsetzung der europäischen Hochwasserrisikomanagement- Richtlinie 2007/60/EG in Archiven und Kultureinrichtungen in Deutschland und insbesondere in Baden-Württemberg vorstellt. Ziel der Richtlinie ist es, einen Rahmen für die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken zu schaffen. In diesem Zusammenhang erstellte die AG Kulturerbe in Baden-Württemberg einen Handlungsleitfaden zur Hochwasservor- und nachsorge, der vor allem denjenigen Kultureinrichtungen und Eigentümern von Kulturgut Hilfestellungen gibt, die sich mit der Thematik selber noch nicht eingehend auseinandergesetzt haben. Dass die Initiative die einzelnen Institutionen jedoch nicht davon enthebt, eigene Notfall- und Alarmierungspläne zu erarbeiten, betont die Verfasserin am Ende ihres Beitrags.
Praktische Hilfestellungen für die Erstellung eines Notfallplans gerade auch in kleineren, regionalen Einrichtungen möchte der Beitrag von Alexandra Jeberien «Die Säulen der Katastrophenprävention » geben. Die Verfasserin spricht verschiedene, im arbido-Themenheft zu Katastrophen ebenfalls erwähnte Instrumente an: die Methode des Risikomanagements (vgl. den Beitrag von Claudia Engler in arbido 4/2010) oder den Sicherheitsleitfaden (SiLK) der Konferenz nationaler Kultureinrichtungen, der – auch aufgrund seines nicht kommerziellen Charakters – besonders zu empfehlen sei (vgl. den Beitrag von Wibke Unger und Katrin Schöne in arbido 4/2010).
Mit Fragen der allgemeinen Schadensprävention beschäftigen sich die Beiträge von Christof Strauss zu Bestandserhaltungsprojekten im Staatsarchiv Freiburg und von Paul Bellendorf zum «Einsatz von naturwissenschaftlichen Verfahren zur Sicherung von Archivgut». Dass die fachgerechte Verpackung von Archivgut nicht nur im Katastrophenfall, sondern ganz grundsätzlich zur Vorbeugung von Schäden beiträgt, liegt auf der Hand. Dass solche Massnahmen darüber hinaus aber auch die Nutzerfreundlichkeit des Archivs erhöhen, hebt Ch. Strauss in seinem Beitrag hervor. Gleichzeitig betont der Verfasser die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Planung von Bestandserhaltungsmassnahmen und zeigt am Beispiel des Staatsarchivs Freiburg, wie solche Massnahmen auch mit beschränkten finanziellen Mitteln erfolgreich durchgeführt werden können. Paul Bellendorf stellt in seinem Beitrag einerseits verschiedene Verfahren zur Materialund Elementbestimmung, andererseits Methoden zur Überwachung von Lager- und Aufstellungsbedingungen vor. Neben der Überwachung von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit durch analoge Hydrothermografen oder digitale Datenlogger geht er dabei auch auf die Methode von Dosimetern ein, mit der nicht die Bedingungen an einem Messstandort zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern die Belastung über einen gewissen Expositionszeitraum erfasst wird. Dadurch ist diese Methode besonders geeignet im Zusammenhang mit der Präsentation von Kulturgut in Ausstellungen und Vitrinen.
Wie schon die Beiträge des vorhergehenden Südwestdeutschen Archivtags zu «rationellen Verfahren der Bewertung und Übernahme von Akten», finden auch im vorliegenden Band Fragen der praktischen Umsetzbarkeit und das Problem beschränkter finanzieller und personeller Ressourcen besondere Berücksichtigung. Die Beiträge geben interessante Hinweise nicht nur für Archive, sondern auch für andere Kultureinrichtungen, die sich mit dem Thema der Notfallvorsorge und Schadensprävention auseinandersetzen möchten oder müssen.