Auf breiter Basis – Ausbildung in Deutschland
In Deutschland wurde 2009 erstmals das Berufsbild für Archivarinnen und Archivare festgehalten, das die zum Anforderungsprofil gehörenden Kompetenzen definiert. Um diese zu erwerben, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wobei sich die deutschen Ausbildungseinrichtungen unterschiedlich, jede auf ihre spezifische Art, an die neuen Herausforderungen angepasst haben.
In der Bundesrepublik Deutschland hat erstmals 2009 der Arbeitskreis «Ausbildung und Berufsbild» beim Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. ein einheitliches Berufsbild beschrieben.1 In fünf Thesen fasst das Papier das Selbstverständnis der Archive zusammen. Diese gehen auf die Bedeutung der Archive in der Gesellschaft, deren Auftrag und Tätigkeiten sowie auf die dafür erforderlichen archivfachlichen und fachübergreifenden Kompetenzen von Mitarbeitenden in Archiven ein.
Kompetenzen
Zum Bildungskanon von Archivarinnen und Archivaren gehören demnach Kenntnisse der Archivwissenschaft, der Geschichte, der Informationstechnologie, des archivspezifischen Rechts, der Verwaltungswissenschaft, der historischen Grundwissenschaften und ihrer Arbeitsmethoden sowie der Bibliotheks- und Dokumentationswissenschaft. Diese archivfachlichen Kenntnisse sollen ergänzt werden durch fachübergreifende Kompetenzen. Dazu zählen Dienstleistungsorientierung, kommunikative und Medienkompetenz, Managementfähigkeiten und soziale Kompetenz.
Es stellt sich nun die Frage, wie diese Kompetenzen erworben werden können. Archivfachliche Ausbildung lässt sich in Deutschland je nach Bildungsvoraussetzungen auf verschiedenen Ebenen und im Rahmen ganz unterschiedlicher Ausbildungsstrukturen erwerben.
Duale Ausbildung
Die seit 1998 existierende Ausbildung zur bzw. zum «Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Fachrichtung Archiv» richtet sich vorrangig an Schulabgänger mit Realschulabschluss. Der Auszubildende erwirbt nicht nur Kenntnisse in der Fachrichtung Archiv, sondern auch in den vier weiteren Fachrichtungen Bibliothek, Information und Dokumentation, Bildagentur und medizinische Dokumentation. Die dreijährige duale Ausbildung findet im Ausbildungsarchiv, in den Einrichtungen anderer Fachrichtungen und in der Berufsschule statt. Der Schwerpunkt liegt im Beschaffen, Aufbereiten und Vermitteln von Medien und Informationen mit Hilfe moderner Techniken. Dieser verhältnismässig junge Ausbildungsberuf findet in Archiven zunehmend Akzeptanz, weil die ausgebildeten Fachangestellten unter Anleitung sehr vielseitig einsetzbar sind.2
Verwaltungsinterne Ausbildung
Die verwaltungsinterne Ausbildung, ob für die Laufbahn des gehobenen oder des höheren Archivdienstes, ist ein beamtenrechtlicher Vorbereitungsdienst und wird getragen von den Archiven des Bundes und der Bundesländer.3 Für eine dreijährige Ausbildung in einem verwaltungsinternen Fachhochschulstudium mit dem Abschluss Diplom-Archivar/in kann sich bewerben, wer einen zum Hochschulstudium berechtigenden Schulabschluss sowie Kenntnisse in zwei Fremdsprachen, von denen eine Französisch oder Latein sein muss, vorweisen kann. Wer ein Hochschulstudium der Geschichtswissenschaft oder einer anderen Geistes- oder Sozialwissenschaft mit einem Mastergrad oder einem gleichwertigen Abschluss abgeschlossen hat und über Kenntnisse in der lateinischen und der französischen Sprache verfügt, kann sich für ein zweijähriges Archivreferendariat bewerben, das mit einer Staatsprüfung abgeschlossen wird.
Beide Ausbildungsgänge bestehen je zur Hälfte aus einem praktischen und einem theoretischen Teil. Während der berufspraktische Teil im jeweiligen Ausbildungsarchiv absolviert wird, findet die theoretische Ausbildung an der Archivschule Marburg statt.
Wie Irmgard Christa Becker, die Leiterin der Archivschule, 2012 feststellte, berücksichtigten die Marburger Curricula alle bereits genannten Kompetenzen, gleichwohl bliebe noch viel zu tun, um die Ausbildungsgänge auf die zukünftigen Herausforderungen hin auszurichten. Handlungsbedarf bestehe bei einer besseren Verzahnung von Theorie und Praxis, dem Ausbau von Managementkompetenzen, der Vermittlung von Inhalten und der Didaktik.4 Dem trägt in einem ersten Schritt die grundlegende Reform des Archivreferendariats Rechnung, das in seiner äusseren Form an die Regeln des Bologna-Prozesses angepasst sowie in seinen Lernzielen und Studieninhalten grundlegend überarbeitet wurde. Hier gehören nun auch Managementfragen und der Umgang mit digitalen Medien zu den Studieninhalten.5 In einem nächsten Schritt soll nun auch die Ausbildung für den gehobenen Archivdienst an die neuen Herausforderungen angepasst werden.
Archivfachliche Studiengänge an der Fachhochschule Potsdam
An der 1991 gegründeten Fachhochschule Potsdam wurde 1992 der Fachbereich Informationswissenschaften ins Leben gerufen, um Archivarinnen und Archivare, Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowie Dokumentarinnen und Dokumentare in einem teilintegrativen Studium auszubilden. Seit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge sind drei archivfachliche Studiengänge zu unterscheiden, die den Zugang zu den beamtenrechtlichen Laufbahnen des gehobenen bzw. des höheren Dienstes eröffnen.
Der siebensemestrige Bachelorstudiengang (B. A. Archiv) vermittelt das gesamte Spektrum archivarischer Tätigkeiten «vom klassischen Berufsbild bis zu den neuen Arbeitsgebieten» in Pflicht- und Wahlpflichtmodulen sowie in zwei Praktika und einem Praxissemester.
Darauf aufbauend kann in drei Semestern der Master of Arts in Informationswissenschaften erworben werden. Dieses Masterstudium ist integrativ für die Bereiche Archiv, Bibliothek und Dokumentation und qualifiziert für wissenschaftlich arbeitende Leitungspositionen in einer Informationseinrichtung. Der berufsbegleitende M. A. Archivwissenschaft mit einer Dauer von sechs Semestern richtet sich in Form eines Fernstudiums an «Seiteneinsteigerinnen» und «Seiteneinsteiger» mit Hochschulabschluss, die sich für den Archivbereich qualifizieren möchten.
Fazit
Dieser kurze Blick auf archivfachliche Ausbildungsangebote in Deutschland macht deutlich, dass alle Ausbildungseinrichtungen sich mit ihren Ausbildungsinhalten den Anforderungen des digitalen Zeitalters und einer veränderten Berufswelt angepasst haben. Nach wie vor zielen die Ausbildungseinrichtungen darauf ab, angehende Archivarinnen und Archivare mit dem gesamten Aufgabenspektrum vertraut zu machen. Als Teil der Gesellschaft befinden sich Archive jedoch in einem ständigen Veränderungsprozess, auf den das Berufsbild und die Ausbildung immer wieder neu abgestimmt werden müssen. Der Arbeitskreis «Ausbildung und Berufsbild» hat bereits angekündigt, sein 2009 erstelltes Berufsbild demnächst auf den Prüfstand zu stellen.6 Welche Konsequenzen sich daraus für die Ausbildung ergeben, bleibt abzuwarten.
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Résumé
- Français
À partir d’un profil du métier pour les archivistes, établi pour la première fois en 2009, l’auteure présente les compétences appartenant à ce profil d’exigence et examine ensuite quelles sont les possibilités de les acquérir en Allemagne. Il en ressort que les institutions éducatives allemandes se sont adaptées aux nouveaux défis – malgré toutes les différences entre elles – et sont prêtes également de se réformer à l’avenir.