Commentaires Résumé
2018/4 Constructions et bâtiments

Die Konzeption des Magazinklimas im Neubauprojekt des Staatsarchivs Basel-Stadt

Commentaires Résumé

Im geplanten Neubau des Staatsarchivs soll die Klimatisierung der Magazinräume möglichst technologiearm erfolgen. Dies senkt Risiken und Kosten im Betrieb deutlich und nachhaltig. Die Machbarkeit dieser innovativen Lösung wurde mittels einer Klimasimulation nachgewiesen.

Ein gemeinsames Bauvorhaben

Das Staatsarchiv Basel-Stadt plant seit längerem einen Neubau, um den akuten Platzmangel in den Magazinen sowie wachsende funktionale Mängel der bestehenden Gebäude (Hauptsitz mit vier Aussendepots) dauerhaft zu beheben. 2013 wurde ein Projektierungskredit bewilligt; 2015 entschied das Zürcher Büro EM2N den Architekturwettbewerb für sich.1 2018 ist das Vorhaben nun in die entscheidende Phase getreten: Die baselstädtische Regierung überwies dem Parlament den Ratschlag über einen Baukredit von rund 214 Mio. Franken zum Entscheid. 2 Damit soll ein gemeinsames Gebäude für das Staatsarchiv Basel-Stadt und das Naturhistorische Museum Basel, welches in seinem Altbau ebenfalls unter grossen baulichen Problemen leidet, erstellt werden. Ein wesentlicher Anstoss für das Neubauprojekt ist seitens Staatsarchiv – neben dem Platzmangel in den bestehenden Magazinen – die ungenügende bauliche Infrastruktur dieser Magazine, die den aktuellen Anforderungen nicht mehr entsprechen. Mit dem Bauvorhaben sollen deshalb Magazine entstehen, die eine dauerhafte und sichere Aufbewahrung des Archivguts von momentan rund 22 Laufkilometern bei konservatorisch einwandfreien Bedingungen ermöglichen und zugleich auch in Betrieb und Unterhalt eine nachhaltige Lösung bieten.
Bereits im Programm des Architekturwettbewerbs formulierte das Staatsarchiv die Forderung nach einer möglichst technologiearmen Klimatisierung der Magazinräume. Ziel dieser Anforderung war es, eine kleinstmögliche Abhängigkeit von (komplexer) technischer Infrastruktur zu erreichen im Hinblick auf Energieengpässe oder technische Probleme über einen längeren Zeitraum hinweg. Dadurch sollte die Gefahr gravierender Schädigungen am Kulturgut durch einen Technologieausfall – dazu gehören auch Defekte an Fühlern oder Steuerungen – reduziert werden. Dem Staatsarchiv schwebte eine Ausformung des sogenannten Kölner Modells vor. Hierbei wird die gewünschte klimatische Trägheit der Magazingeschosse durch mehrschichtige, starke Wände, durch entsprechend dimensionierte Dämmung und diffusionsoffene Oberflächen erreicht. Nach Abschluss des Architekturwettbewerbs und Vorliegen des Siegerprojekts stand fest, dass die Magazine für Akten, Grafikdrucke und Pläne im 3. und 4. Untergeschoss angelegt werden sollten. Entsprechend erfolgte eine Anpassung des ursprünglichen Konzepts: Das adäquate Magazinklima soll nun primär durch die Nutzung der thermischen Stabilität im Untergrund erreicht werden.

Eckdaten des Konzeptes

Bei der Erarbeitung dieses innovativen Konzeptes wurde das Staatsarchiv massgeblich von Andrea Giovannini als externem Fachberater unterstützt. Grundlagen des Konzepts bilden die Formulierung von saisonal unterschiedlich definierten Klima-Zielwerten mit sehr langen Aufwärmphasen (fünf Monate) und Abkühlungsphasen (sieben Monate), eine absolute Wasserdichtigkeit der Gebäudehülle und eine möglichst geringe Luftwechselrate in den Magazinen. Die Regulierung der Raumfeuchte und der Raumtemperatur erfolgt über zwei getrennte Systeme. Die Feuchtigkeit wird über eine intelligent gesteuerte Lüftung ohne Luftkonditionierung reguliert. Dabei ermittelt die Regeltechnik, ob bei Bedarf die Aussenluft zur Entnahme oder zur Zufuhr von Feuchtigkeit geeignet ist. Die Raumtemperatur wird über ein Heiz- und Kühlsystem sichergestellt; aufgrund des trägen Raumklimas und der geringen notwendigen Wärme- und Kälteabgabe (letztere liegt zwischen 16 und 18 °C) steht dabei die thermische Bauteilaktivierung im Vordergrund. Von diesem Konzept ausgenommen sind allerdings die wenigen oberirdischen Magazine (Bauplanarchiv und Zwischenmagazin) sowie die Spezialmagazine für das audiovisuelle Archivgut. Bei diesen können die geforderten Klimawerte (12 °C / 30 % relative Luftfeuchtigkeit für Glasplatten, Filme, Mikrofilme, Tondokumente; 4 °C / 30 % für Nitrat, Acetat, Farb-Negative und Farb-Positive) nur mit einer konventionellen Monoblock-Lösung erreicht werden.

Abb 1: Modell der Feuchteregelung. Michel Bonvin, Flanthey, 2016

Innovation versus Standards

Das Konzept bringt sowohl betriebliche als auch konservatorische Vorteile mit sich. Als betriebliche Vorteile können genannt werden:

  • einfache Überwachung der technischen Anlagen
  • reduzierte Präsenz von Technikern in den Technikräumen
  • geringere Wartungs-, Unterhalts- und Betriebskosten und damit ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis

Konservatorische Vorteile wären:

  • Das träge Raumklima wirkt sich günstig auf die Bestandeserhaltung aus (keine abrupten Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit).
  • Die geringe Luftwechselrate reduziert das Eindringen atmosphärischer Schadstoffe.
  • Das Risiko bezüglich Leitungssysteme (Strom, Wasser, Lüftung) ist generell gering.
  • Ein Ausfall von Elektrizität bei Energieengpässen oder technischen Problemen kann über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Schädigungen des Archivguts überbrückt werden.

Die Umsetzung dieses Konzepts setzt allerdings die Bereitschaft voraus, sich ein Stück weit über die einschlägigen Normen hinwegzusetzen. Normen geben Richtwerte vor und sind sehr hilfreich im Austausch mit Architekten und Fachplanern (diese sind sich Normen gewohnt) wie auch bei der Argumentation gegenüber vorgesetzten Behörden. Die strikte Einhaltung von Normen schränkt jedoch auch den Handlungsspielraum ein. Das kann im Extremfall dazu führen, dass neuartige Konzepte mit niedrigem Energieverbrauch und einfacher Wartung nicht umgesetzt werden können. Die 2017 verabschiedeten Normen DIN 11799 (Anforderungen an die Aufbewahrung von Archiv- und Bibliotheksgut) und DIN 67700 (Bau von Bibliotheken und Archiven) haben die Klimavorgaben zwar inzwischen stark erweitert, das Konzept des Staatsarchivs erfordert jedoch eine etwas grössere Bandbreite. Deutliche Abweichungen sind zudem bei den Vorgaben für die Luftwechselrate unabdingbar. Die gängigen Normen sehen zwei Luftwechsel pro Stunde vor, das Konzept des Staatsarchivs hingegen eine Reduktion der Luftwechselrate auf ein Raumvolumen pro Tag, denn die anvisierte Feuchtepufferung in den Magazinen funktioniert nur mit weniger als einem Luftwechsel innerhalb von zehn Stunden.

Überzeugungsarbeit und Klimasimulation

So mussten nicht nur die Vorzüge des Konzepts den Architekten, dem Haustechnikplaner und den Projektverantwortlichen des Hochbauamtes erläutert, sondern  auch dessen Umsetzbarkeit nachgewiesen werden. Zu diesem Zweck wurde durch den Bauphysiker Michel Bonvin eine Machbarkeitsstudie in Form einer Klimasimulation erarbeitet. Die Klimasimulation berücksichtigte folgende Parameter: die Grundlagen bautechnischer und bauphysikalischer Art (inkl. Betonaustrocknungszeit), den Belegungsgrad der Magazine, das Nutzerverhalten (innere thermische Lasten durch menschliche Präsenz in den Magazinen), die Erdreich- und Grundwassertemperaturen sowie die bisherigen, die aktuellen und die bis 2060 prognostizierten Wetterdaten. Für die Simulation wurden sechs Magazinräume ausgewählt, die sich in ihren Charakteristiken bezüglich horizontaler und vertikaler Lage in den Magazingeschossen und gegenüber benachbarten Räumen unterscheiden, da das Gebäude in seinen Wärmeeigenschaften nicht homogen ist.

Abb. 2: Untersuchte Räume: Sensitivitätsanalyse. Michel Bonvin, Flanthey, 2016

Die Klimasimulation konnte die Machbarkeit des Konzepts schlüssig nachweisen. Aus der Simulation ging zudem hervor, dass auch ein Totalausfall der technischen Anlagen über einen sehr langen Zeitraum überbrückt werden kann, ohne dass die Klimawerte ausserhalb des akzeptablen Rahmens fallen. Sie ergab ferner, dass der Einfluss der menschlichen Präsenz auf das Raumklima ausserordentlich gering ist, selbst wenn die in den Berechnungen verwendeten Annahmen um ein Zehnfaches höher wären. Aus der Studie ging allerdings auch hervor, dass nicht nur die absolute Wasserdichtigkeit der Gebäudehülle und eine reduzierte Luftwechselrate Grundvoraussetzungen für das Funktionieren dieses Ansatzes darstellen. Notwendig sind auch eine ausreichende Bauaustrocknung vor dem Bezug (gerechnet wird mit einem Jahr), eine Mindestbefüllmenge von 25 Prozent pro Magazinraum sowie die Möglichkeit, jeden Magazinraum individuell heizen und kühlen zu können. Letzteres ist nötig, weil sich das klimatische Verhalten der einzelnen Räume als sehr unterschiedlich erwies und sich stark ändert, wenn auch nur einer der Annahmeparameter verändert wird.
Architekten, Haustechnikplaner und Projektverantwortliche konnten dank dieser profunden Studie überzeugt werden. Die technische Ausführung des Konzepts sieht für die Feuchteregulierung eine intelligente Lüftungsanlage ohne Luftkonditionierung und für die Regulierung der Raumtemperatur eine Heiz-/Kühldecke in Form von Konvektoren vor, die pro Magazinraum einen geschlossenen Leitungskreislauf mit einer eng begrenzten Wassermenge von maximal 20 Litern und sehr geringem Leitungsdruck bilden. Zudem werden die Konvektoren nicht über den Regalgestellen, sondern im Bereich der Korridore angebracht.

Abb 3: Schema der Klimasteuerung. Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt, 2017

Die Investitionskosten für dieses innovative Konzept sind in etwa gleich hoch wie für eine konventionelle Monoblock-Lösung, die Betriebs- und Unterhaltskosten aber fallen aufgrund des sehr geringen Energiebedarfs und des geringen Wartungsaufwandes wesentlich tiefer aus. Ökonomische Argumente reichen jedoch nicht aus, um Architekten, Fachplaner und Entscheidungsgremien für eine solche Lösung zu gewinnen. Der Ansatz muss fachlich solide abgestützt sein und es ist eine grosse Portion Überzeugungsarbeit zu leisten. Denn konventionelle technische Lösungen werden sehr viel einfacher akzeptiert – auch wenn sie nicht unbedingt besser verstanden werden.

Kress Daniel 2018

Daniel Kress

Daniel Kress ist Stellvertretender Staatsarchivar sowie Leiter der Abteilung Erschliessung und Bestandeserhaltung im Staatsarchiv Basel-Stadt. Er war von 1992 bis 2003 Mitglied der Koordinationskommission des VSA (heute: Arbeitsgruppe Bewertung), die er von 1998 bis 2003 als Präsident leitete. Seit 2010 ist er im Vorstand des VSA (seit 2016 Vizepräsident). 2013-2016 vertrat er den VSA in der Ausbildungsdelegation I+D.

  • 1 Siehe Hochbauamt Basel-Stadt, 2015, Naturhistorisches Museum Basel und Staatsarchiv Basel-Stadt, Neubau; Abgeschlossene Wettbewerbe (Zugriff am 17.10.2018).
  • 2 Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, Neubau Naturhistorisches Museum Basel und Staatsarchiv Basel-Stadt. Ratschlag zur Ausgabenbewilligung für die Realisierung [und] Übertragung von zwei Parzellen vom Finanz- ins Verwaltungsvermögen (Widmung) sowie Zonenänderung, Festsetzung eines Bebauungsplans, Festsetzung der Lärmempfindlichkeitsstufe, Änderung des Wohnanteilsplans, Änderung von Bau- und Strassenlinien sowie Einschränkung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans Nr. 165 im Gebiet Entenweidstrasse, Luzernerring-Brücke (Areal Entenweidstrasse), 2018; Link (Zugriff am 17.10.2018).

Résumé

Beim geplanten Neubau des Staatsarchivs Basel-Stadt wurde für die Klimatisierung der Magazinräume eine möglichst technologiearme Lösung gewählt. Dadurch können konservatorische Risiken und betriebliche Kosten deutlich gesenkt werden. Grundlagen sind Klima-Zielwerte mit saisonalen Unterschieden, sehr lange Aufwärm- und Abkühlungsphasen, die absolute Wasserdichtigkeit der Gebäudehülle und eine geringe Luftwechselrate in den Magazinen. Die Machbarkeit des innovativen Konzepts wurde in einer Klimasimulation nachgewiesen.

Beim geplanten Neubau des Staatsarchivs Basel-Stadt wurde für die Klimatisierung der Magazinräume eine möglichst technologiearme Lösung gewählt. Dadurch können konservatorische Risiken und betriebliche Kosten deutlich gesenkt werden. Grundlagen sind Klima-Zielwerte mit saisonalen Unterschieden, sehr lange Aufwärm- und Abkühlungsphasen, die absolute Wasserdichtigkeit der Gebäudehülle und eine geringe Luftwechselrate in den Magazinen. Die Machbarkeit des innovativen Konzepts wurde in einer Klimasimulation nachgewiesen.

Pour leur nouveau projet de construction, les Archives de l'Etat de Bâle-Ville ont choisi une solution avec le moins de technologie possible pour la climatisation des dépôts. En conséquence, les risques pour la conservation et les coûts d’exploitation peuvent être considérablement réduits. Cette solution se base sur des valeurs climatiques ciblées avec des différences saisonnières, de très longues phases de réchauffement et de refroidissement, l'étanchéité absolue de l'enveloppe du bâtiment et un faible taux de renouvellement de l'air dans les dépôts. La faisabilité du concept innovant a été démontrée dans une simulation climatique.