Praktisches Management in One Person Libraries
Kuth, Martina, Praktisches Management in One Person Libraries, Berlin [u.a.]: De Gruyter Saur, 2015. 138 S.
Martina Kuths Leitfaden bietet Orientierung bei der Arbeit in einer One Person Library und steht damit in einer Traditionslinie mit den Meilensteinen der OPL-Literatur von Guy St. Clair und Judith A. Siess. Dem Mut, ein solches Handbuch im Alleingang zu schreiben, gilt es Anerkennung zu zollen. Ihrer Feststellung folgend, dass in OPLs «Allrounder [...] gefragt» seien (S. 1), unternimmt die Autorin in 15 Kapiteln eine Tour d’Horizon durch die OPL-Arbeit. Kuths «Leitfaden bietet einen Abriss bibliothekarischer und informationswissenschaftlicher Standards und legt den Fokus auf ihre Umsetzung in einer One Person Library». Diese Selbsteinschätzung ist zutreffend, der Rezensent hat kein wesentliches Thema vermisst.
Wie ist es um Inhalt und Qualität bestellt? Das erste Kapitel bietet eine griffige Charakterisierung der Qualifikationen und Kompetenzen, die Kuth zufolge essenziell für die erfolgreiche Arbeit in einer OPL sind. Ähnlich gut gelungen ist die Darstellung der OPL als Institution im zweiten Kapitel: OPLs sollen «aktiv dazu beitragen, das Unternehmensziel der Trägerorganisation zu erreichen» (S. 10). Das dritte Kapitel stellt verschiedene Aufbauorganisationen auf einer äusserst abstrakten Ebene vor. Hier wäre mehr gewonnen gewesen, wenn Kuth real existierende Aufbauorganisationen samt den darin eingebundenen OPLs vorgestellt hätte. In Kapitel 4 wird eine Reihe von Aspekten diskutiert, die bei der Profilschärfung von OPLs relevant sind: Begriffe wie Konkurrenz und Kooperation, mittelbare und unmittelbare Nutzer, Nachfrage und Bedarf, SWOT-Analyse, Produktlebenszyklus stellt die Autorin überzeugend in den OPL-Kontext.
Kapitel 5 schlägt eine Brücke hin zum «Beitrag, den Marketing [...] zur Sichtbarkeit von Services» leisten kann (S. 47). Zu Recht stellt Kuth fest: «Marketing ist nicht nur ‹Werbung›, sondern geht weit darüber hinaus.» Was dieses «darüber hinaus» sein könnte, bleibt leider unklar. Ein «ausgewogener Marketing-Mix» wird zwar als «erstre benswert» bezeichnet, seine Bestandteile werden aber nicht erläutert. Stattdessen geht die Autorin näher auf Graswurzel, Solitärmarketing und Marketing by Walking Around ein. Unter der Überschrift «Bestand managen» handelt das sechste Kapitel Bestandspolitik und Erwerbung ab. Hier ist die Spannweite zwischen einer OPL mit Archivfunktion und einer OPL, die ausschliesslich Gebrauchsliteratur anbietet, denkbar gross. Dennoch dürfte die Darstellung Mitarbeitende aus allen Bereichen des OPL-Spektrums ansprechen.
Die zweite Hälfte des Werks enthält u.a. einige sehr kurze Kapitel, bei denen sich die Frage stellt, welchen Ertrag z.B. drei Seiten über Informationsvermittlung (Kap. 8) überhaupt haben können. Kapitel 7 bietet Überblicke zur «Bestandserschließung à la OPL» sowie zur Bestandspräsentation. Ob OPLs heute gut beraten sind, bei der Formal- und Sacherschliessung nicht auf die verbreiteten Regelwerke, sondern – wie es die Autorin andeutet – auf einfachere Hausregeln zu setzen? Im zehnten Kapitel gibt das Buch Hilfestellung, um mit der rasanten Entwicklung der IT Schritt halten zu können: «Für die OPL ist entscheidend, dass sie die ‹Buzz Words› verstehen und kritisch hinterfragen kann» (S. 86). Zu begrüssen ist der Hinweis auf Open Source Software, hier und andernorts wären aber konkrete Hinweise auf Tools und Projekte willkommen gewesen. Ob den Lesern damit gedient ist, dass über die Hälfte des IT-Kapitels der Auswahl und den Funktionen eines integrierten Bibliothekssystems gewidmet ist?
Das abschliessende Kapitel 15 über die «Persönliche Arbeitsorganisation» zählt zu den stärksten des Buches. Darin finden sich treffende Reflexionen über das OPL-Dasein: «OPL-Arbeit zeichnet sich nicht nur durch Vielfalt aus, sondern in der Regel auch durch Zeitknappheit [...].» Aus diesem Dilemma schildert die Autorin einen ausgezeichnet nachvollziehbaren Weg, der auf den Grundsätzen Routine, Standardisierung, interne Dokumentation und Zeitmanagement basiert. Letzteres gelingt mittels Fristsetzung und Kooperation sowie Bündelung, Rhythmisierung, Priorisierung und Delegation von Aufgaben.
Das grosse Plus des Leitfadens sind die in den Text eingestreuten Fragenblöcke und vor allem die ca. 20 Fallbeispiele. Der Autorin gelingt das Kunststück, Fallbeispiele zu konstruieren, die einerseits nah genug an der Praxis sind, um unmittelbar an den Erfahrungsschatz des Lesers zu appellieren, andererseits aber auch allgemein genug gehalten sind, um für möglichst viele verschiedene OPLs relevant zu sein. Die Fallbeispiele sind so gut in den Text integriert und so geschickt formuliert, dass man zusammen mit den im Anhang des Buches versammelten Lösungsansätzen einen praxisnahen Ratgeber in Händen hält. Bei den Fallbeispielen wird sich wohl jeder Leser sofort angesprochen fühlen und den Fall vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen «lösen» wollen. Leider gibt es die Fallbeispiele samt Lösungsansätzen nur in den Kapiteln 3–6.
Zum Schluss stellt (sich) der Rezensent zwei Fragen: Ist das Band, das OPLs aus den verschiedensten Bereichen zusammenhält, so stark, dass ihnen ein und derselbe Leitfaden eine aufschlussreiche Lektüre bieten kann? Falls ja, welche Bedeutung kann das Buch im Arbeitsalltag haben? Für ein Handbuch, das man immer wieder bei speziellen Fragestellungen heranziehen wird, ist der Umfang zu schmal. Das gute Literaturverzeichnis kann aber als Ausgangspunkt für tiefergehende Recherchen dienen. Vor allem aufgrund der gut gewählten Fallbeispiele wird es für jede/n OPL-BibliothekarIn lohnend sein, sich mit Martina Kuths Buch intensiv zu beschäftigen.