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2006/2 Droit d’auteur – Loi fédérale sur le droit d’auteur et les droits voisins (Loi sur le droit d’auteur, LDA)

Teilrevision des Urheberrechts: Die Position des VSA

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Der Bundesrat hat am 10. März die Botschaft zur Teilrevision des Urheberrechtsgesetzes (URG) und zur Ratifikation von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) verabschiedet (Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBl 2006 3389). Die Vorlage soll einen ausgewogenen, den Anforderungen der Informationsgesellschaft entsprechenden Schutz des Kulturschaffens gewährleisten. Dazu soll sich die Schweiz an der internationalen Harmonisierung des Urheberrechts beteiligen und ihr Recht dem Schutzniveau anpassen, auf das sich 127 Mitgliedsstaaten der WIPO geeinigt haben.

Das Urheberrecht tangiert auch den Umgang mit Informationen (und Daten) in Archiven. Der VSA-AAS hat in einem Schreiben von Andreas Kellerhals (Präsident) und Georges Willemin (Vizepräsident) zur Teilrevision des URG Stellung genommenEntwurf für die Teilrevision des URG und Erläuterungen dazu vgl. http://www.ige.ch/D/jurinfo/j103.shtm; Stellungnahme des VSA-AAS vom Januar 2005: http://www.ige.ch/D/jurinfo/documents/j10301150d.pdf; Der Artikel «Archive und Urheberrechtsschutz: eine notwendige Interessenabwägung» von Andreas Kellerhals im Bulletin SAGW 1/05 entspricht inhaltlich der Stellungnahme des VSA-AAS..

Ausgangspunkt für diese Stellungnahme ist der Umstand, dass Archive u.a. Unterlagen sichern, welche gemäss Urheberrecht unter die Kategorie «Werke» fallen, und dies obwohl das URG den grössten Teil des Archivguts vom Urheberrechtsschutz ausklammert (Art. 5 Abs. 1 lit. a–d und Abs. 2 URG)1.

«Werke» sind gemäss Art. 1 URG «geistige Schöpfungen der Literatur und Kunst, die individuellen Charakter haben». Unterlagen mit Werkcharakter in Archiven sind beispielsweise Pläne, Skizzen und Entwürfe von Künstlern, z.B. im Zusammenhang mit Unterstützungs- oder Beitragsgesuchen. Die freie, unentgeltliche Nutzung von «Werken» im Archivgut muss auch in Zukunft sichergestellt sein, weil sie integraler Bestandteil von Unterlagen staatlicher Stellen sind, deren Handeln nachvollziehbar sein muss.

Ein zweiter wichtiger Punkt in der Stellungnahme ist die Forderung, dass die Unterlagen mit Werkcharakter nicht einem Kopierverbot unterstellt werden dürfen. Die langfristige Verfügbarkeit und Benutzbarkeit von digitalen Unterlagen bringt die Notwendigkeit der regelmässigen Migration und/oder Konvertierung mit sich.

Schliesslich betont die Stellungnahme in einem dritten Punkt, dass die Reproduktion von Unterlagen mit Werkcharakter nicht nur für den internen Gebrauch im Archiv, sondern auch für Dritte entschädigungsfrei möglich sein muss. Nur bei der gewerblichen Nutzung sollen die Verwertungsrechte der Archive abgegolten werdenDie rechtliche Grundlage für die gewerbliche Nutzung von Unterlagen des Schweizerischen Bundesarchivs sind Art. 19 des Bundesgesetzes über die Archivierung (BGA) und Art. 23 und 24 der Verordnung zum BGA..

Das Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) hat der Forderung des VSA-AAS und anderer Organisationen und Institutionen nach einer Einschränkung des Kopierschutzes für Archive, Bibliotheken, Bildungseinrichtungen und Museen durch die Aufnahme einer Ausnahmebestimmung Rechnung getragenBericht über die Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens zu Änderungen im Urheberrechtsgesetz, Mai 2005, S. 9f., 28, 30, 41; http://www.ige.ch/D/jurinfo/documents/j10309d.pdf.. Demnach dürfen diese Institutionen gemäss neuem Art. 24 Abs. 1bis URG «die zur Sicherung und Erhaltung ihrer Bestände notwendigen Werkexemplare herstellen, sofern mit diesen Kopien kein wirtschaftlicher oder kommerzieller Zweck verfolgt wird»Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Entwurf, BBI 2006 3443..

Die Botschaft des Bundesrats zur Teilrevision des URG betont denn auch, dass in der Informationsgesellschaft die Schutzschranke für Archivierungszwecke als nicht mehr «zeitgemäss» erscheint: «Sie lässt den Archiven, Bibliotheken und ähnlichen Einrichtungen zu wenig Spielraum, um den Erhalt ihrer digitalen Bestände längerfristig sicherzustellen.Botschaft zum Bundesbeschluss über die Genehmigung von zwei Abkommen der Weltorganisation für geistiges Eigentum und zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes vom 10. März 2006, BBI 2006 3402.»

Damit ist ein wichtiger Schritt für die Sicherung und Erhaltung von digitalen Unterlagen in Archiven und verwandten Institutionen getan.

Wichtig bleibt für Archive aber weiter die Forderung, dass die Auswertung von Unterlagen trotz allfälligem Werkcharakter – mit Ausnahme der gewerblichen Nutzung – entschädigungsfrei möglich sein muss. Der Urheberrechtsschutz für solche Unterlagen ist in diesem Sinne einzuschränken. Informationen, die mit öffentlichen Mitteln oder im Zusammenhang mit öffentlichen Aufgaben gebildet wurden, sollen nicht nur frei zugänglich bleiben, sondern auch frei genutzt werden können (Stichwort public domain).

Soweit es um den Zugang zu Unterlagen des Bundes geht, findet der Wille zur Transparenz seinen Ausdruck im Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ). Dieses macht allerdings eine Einschränkung in Bezug auf Unterlagen, welche unter dem Schutz des Urheberrechts stehen (vgl. oben): Art. 5 Abs. 2 der geplanten Verordnung zum BGÖ hält fest, dass die Behörde bei solchen Unterlagen einsichtnehmende Dritte auf die Nutzungseinschränkungen aufmerksam machen mussAusführliche und aktuelle Information zum Öffentlichkeitsgesetz vgl. http://www.bj.admin.ch/bj/de/h... und buerger/gesetzgebung/oeffentlichkeitsprinzip.html.. Die Nutzungsbedingungen werden mittlerweile sehr oft auch vertraglich geregelt, wenn eine Behörde Gutachten, Studien etc. bei verwaltungsexternen Dritten in Auftrag gibt.

Eines ist klar: Der Rohstoff Wissen und Information gewinnt weiter an Bedeutung, was sich u.a. eben auch in den Bemühungen zeigt, Nutzung und Verwertung nach ökonomischen Kriterien zu regeln. Es bleibt die Aufgabe u.a. von Archiven, dafür zu sorgen, dass dabei der freie Zugang für die Öffentlichkeit nicht auf der Strecke bleibt.

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Guido Koller

Guido Koller ist Historiker. Er arbeitet im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern und untersucht Möglichkeiten digitaler Geschichte.

  • 1 SR 231.1.