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2009/3 Digitale Dienstleistungen als Herausforderung in I&D

GIS in Bibliotheken: Visualisierung von Nutzungen und für Nutzende

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Wer kennt nicht die Infografiken aus Fernsehen und Online­-Medien, die Re­sultate aus Abstimmungen oder Wahlen auf einer Karte, wenn möglich zeitnah, abbilden und Verteilungen oder Trends auf einen Blick vermitteln? Diese Grafi­ken sind Produkte von Geo­Informa­tionssystemen (GIS), mit denen raumbe­zogene Daten verwaltet, analysiert und präsentiert werden können.

Allgemein-öffentliche Bibliotheken in GrossbritannienA. M. Hawkins, New Libr. World 95(7), 4(1994). DOI: 10.1108/03074809410070502.und den USA haben den Nutzen geocodierter demographischer Daten und Nutzungsdaten für die Standort- und Einzugsgebietplanung, die Bestandesausrichtung und Leistungsvergleiche bereits Mitte der 90er Jahre erkannt. In den USA sind dafür spezialisierte Softwareprodukte1erhältlich. GIS-Technologie eignet sich aber nicht nur für grossflächige Geodaten und damit Landkarteninformation, sondern auch im Kleinen für Gebäude oder Räume. Raum-Informationssysteme als spezielle Ausprägung von GIS können einerseits als Benutzerleitsysteme, andererseits im Facility Management für die Analyse und Darstellung betriebswirtschaftlicher Daten, Inventur und Raumplanung genutzt werden. Erste Versuche, GIS in Bibliotheken für diese Zwecke einzusetzen, stammen von Jingfeng XiaJ. Xia, Library Hi Tech 22(2), 209(2004). DOI: 10.1108/07378830410543520; Library Hi Tech 22(4), 375(2004). DOI: 10.1108/07378830410570476; Inf. Technol. Libr. 23(4), 184(2004); New Libr. World 106(5/6), 219(2005). DOI: 10.1108/03074800510595832; Collect. Manage. 30(1), 63(2005). DOI: 10.1300/J105v30n01_07.. Da er dafür Desktop-GIS-Software verwendet hat, sind die Ergebnisse nur in seinen Publikationen zugänglich. Seitdem aber interaktive GIS-Systeme für Bibliotheken im Web sozusagen «augenfällig» werden, erfährt das Thema im I+D-Bereich breite Aufmerksamkeit. Grossen Anklang finden beispielsweise das elektronische LeitsystemEinen Überblick über verschiedene Produkte vermittelt die Bachelorarbeit von Lena Dilger, Elektronische Leit-­ und Orientierungssysteme: Vergleich und Analyse aktueller Beispiele, FH Stuttgart – Hochschule der Medien (2007).v:scout der Firma arTec2, das im September 2008 an der Universitätsbibliothek St. Gallen3und im Juni 2009 an der Universitätsbibliothek Basel4eingeführt worden ist und das vom Informationszentrum Chemie Biologie Pharmazie der ETH Zürich entwickelte System5zur interaktiven Anzeige von Bestand und Nutzung auf einem Stockwerkplan. Welche Anwendungsmöglichkeiten eröffnen sich für Bibliotheken? Wie stehen Aufwand und Ertrag zueinander? Könnte man Benutzerleitsysteme und Facility Management kombinieren? Am Beispiel des Informationszentrums versucht dieser Beitrag, diesen Fragen nachzugehen.

Vom Anstoss zum Prototyp

Das Informationszentrum hat seine neuen Räumlichkeiten auf dem ETH-Campus Hönggerberg im Sommer 2001 bezogen. Seine Dokumente sind über eine systematische Freihandaufstellung zugänglich. Aufgrund architektonischer Vorgaben sind Beschriftungen in den Bibliotheksräumen an den Wänden oder von der Decke nur spärlich vorgesehen. Die durchgehende, einheitliche Nummerierung der Gestelle und Schränke und die Beschriftung mit den Sachgebieten helfen den Benutzenden zwar beim Auffinden der Dokumente, die Orientierung könnte aber noch verbessert werden. So ist vielen Besuchern zu Beginn nicht bewusst, dass die Bibliothek drei Geschosse besitzt, weil der Aufgang zu den oberen Ebenen leicht verdeckt ist. Wir haben deshalb schon früh beabsichtigt, ein elektronisches Leitsystem einzuführen, und zuerst erwogen, Stockwerkpläne über SVG (Scalable Vector Graphics) in den WebOPAC einzubinden.

Das Informationszentrum besitzt zudem ausführliche statistische Daten zu Nutzung und Bestand, die bis auf Tablarebene bzw. ins Detailgebiet nachgewiesen sind. Um die langen Zahlenreihen in der Statistikdatenbank nicht mühevoll durchstöbern zu müssen, ist für die Darstellung und im Hinblick auf eine mögliche Nutzerführung ein Java- Applet entwickeltVerwendet wurde die im Digital­-Arts­-Bereich geläufige Metasprache Processing, www.processing.org. Der dokumentierte Sourceco­de steht als OpenSource Software unter www.infochembio.ethz.ch/download/library_visualisation.zip zur Verfügung. Alle Informationen (Gestelle, Beschriftungen, bibliothekonomische Daten) werden vom Applet über eine XML­Schnittstelle einge­ lesen.worden, das interaktiv Ausleihen, Erwerbungen, Altersverteilung und weitere bibliothekonomische Parameter auf einem Stockwerkplan visualisiert und damit die rasche Identifikation von «Hot Spots» ermöglicht. Mittels «Mouse-Over» im Applet wird zusätzliche Information in einer Box angezeigt, Mausklick ruft die entsprechenden Daten im WebOPAC auf. Mit den Schiebern in der Legende lässt sich der angezeigte Datenbereich einschränken.

Ergebnisse

Bei der Interpretation der Visualisierungen kommt bereits Bekanntes, aber auch Überraschendes zum Vorschein. Nicht unerwartet ist die hohe Nutzung der typischen Lehrbuchbereiche, überraschend aber die vielen Ausleihen in der Quantenchemie und der NMR-Spektroskopie. Ebenso fällt die Platzknappheit rasch wachsender, junger Teilgebiete der Biologie, Pharmazie oder Nanotechnologie auf, während die etwas älteren Gebiete Chemieingenieurwissenschaften und Anorganische Chemie noch «Luft» haben. Eine Reorganisation wäre also angebracht.

Daten und Arbeitsabläufe

Welche Arten von Bibliotheksdaten können in einem Rauminformationssystem verknüpft werden? Da sind zuerst die Raumdaten, nämlich Stockwerkpläne, die Beschreibung der Raumobjekte mit ihren Koordinaten und Massen, sowie die Standortsignaturen oder Signaturbereiche. Zum zweiten die den Bestand beschreibenden Sachdaten, nämlich die in einer systematischen Aufstellung verwendeten Sachbegriffe, oder die Ordnungssignaturen in einer alphabetischen oder anderen Aufstellung. Dann die administrativen Informationen: Bezeichnungen von Servicebereichen und dazugehörige Verweise auf Informationsseiten oder URLs auf Kataloginhalte. Diese drei Typen werden von Benutzerleitsystemen benötigt. Im Facility Management kommen für Analysen noch die bibliothekonomischen Daten dazu: Beispiele sind Nutzung (z.B. Ausleihen), Erwerbungen, Altersverteilung der Titel, vermisste Titel, Belegung oder Preise. Diese Parameter können in aggregierter Form (summiert oder gemittelt über eine Zeitperiode), als aktuelle Daten (Momentaufnahmen) oder in relativer Form (zeitliche Änderung, auf einen Grundbestand normierte Häufigkeit) ermittelt werden. Sollen auch Räume oder Objekte (z.B. ein Beamer) reserviert werden können, werden noch Zeit und personen- bzw. gruppenbezogene Daten benötigt.

Die Menge der Daten bestimmt die Art der Aufbereitung für die Nutzungsanalyse: Sollen Zehntausende bis Millionen von Titel- und Ausleihdaten mit Fach- und Rauminformationen kombiniert werden, müssen wegen des Zeitaufwands (Minuten bis Stunden) die statistische Aufbereitung separat durchgeführt und die Resultate für die Visualisierung zwischengespeichert werden. Dies betrifft vor allem Jahresauswertungen. Für Momentaufnahmen eines bestimmten Bibliothekszustands, wo nur wenige Hundert Datenwerte anfallen –, z.B. die aktuellen Ausleihen – reicht die Leistung des Informationssystems meist aus, um interaktiv die gewünschte Information zu erzeugen und im angeforderten Format direkt an die Visualisierungssoftware zu übermitteln.

Ob die Rauminformationen im Bibliothekssystem oder in einem speziellen System verwaltet werden sollen, hängt davon ab, ob eine Bibliothek bereits über solche verfügt und damit arbeitet oder diese erst erarbeiten muss. Das Nutzerleitsystem v:scout von arTec beispielsweise ist als autonome Komplettlösung konzipiert, das die Raumobjekte, Signaturbereiche und administrative Informationen in einer eigenen Datenbank ablegt und eine Weboberfläche für deren Verwaltung anbietet. Damit eignet es sich besonders für Bibliotheken, die erst mit dem Aufbau der Rauminformation beginnen wollen und über ein standardisiertes Bibliothekssystem verfügen, das relativ wenig Gestaltungsmöglichkeiten zulässt.

Im Informationszentrum hingegen sind Rauminformationen Bestandteil der täglichen Arbeitsabläufe, die im hauseigenen Informationssystem CLICAPS6abgebildet und unterstützt sind: Dreh- und Angelpunkt bei der Zuordnung der Bücher zu einem Fachgebiet, bei der Katalogisierung und der Ausscheidung spielt die Standortsignatur. Die Standortsignaturen, die aus einer Regal- bzw. Schranknummer und einem Buchstaben für das Tablar oder die Schublade bestehen, sind im System mit den Sachbegriffen der im Informationszentrum eingesetzten Klassifikation78assoziiert. Die Sacherschliessung erfolgt vor der Katalogisierung. Dabei weisen die Fachspezialisten einem Dokument anhand der Klassifikation eine Standortsignatur zu. Gleichzeitig stellen sie fest, ob noch Platz auf dem Tablar vorhanden ist; dabei werden sie vom System unterstützt, das die aktuelle Belegung in Laufmetern anhand des Mediums und der Seitenzahl der vorhandenen Dokumente berechnet. Somit entfällt der Gang zum Gestell in vielen Fällen. Während der Katalogisierung werden beim Eintragen der Standortsignatur die Klassifikationsbegriffe und die Notation automatisch übernommen; dadurch entfällt das zeitaufwendige Eintragen der Sachbegriffe, und das Dokument muss nicht mehr den Weg zum Fachspezialisten zurückgehen, sondern kann gleich den Benutzenden zur Verfügung gestellt werden. Analog hilft das System bei der Ausscheidung, indem es für eine Standortsignatur die Tablarbelegung, Nutzung und Altersverteilung der Bücher (ältestes, jüngstes, Durchschnittsalter) anzeigt. Die hinterlegten Rauminformationen unterstützen weiter den Ausdruck der Gestell- und Tablarbeschriftungen, die jährliche Inventur und die Platzplanung. So kann auf Knopfdruck die aktuelle Belegung in Laufmetern oder Prozent von Gestellen, Fachbereichen, Räumen oder ganzen Stockwerken ermittelt werden.

Aufwand

Der Erfassungsaufwand für die Raumobjekte und Signaturbereiche fällt nur einmal an und benötigt nur wenige Arbeitstage. Sind die Gestellmasse einheitlich und die Regalreihen regelmässig aufgestellt, lässt sich die Erfassung sogar automatisieren. Aufwendiger jedoch ist das Zeichnen der Pläne, besonders, wenn die zugrunde liegenden Gebäudepläne Zigtausende von Einzelobjekten enthalten, die für die endgültige Ansicht gar nicht benötigt werden. Diese Aufgabe sollte deshalb einem Architekturbüro übergeben werden. Gerade das Rauminformationssystem der Universitätsbibliothek St. Gallen zeigt, wie ansprechend ein sorgfältig gezeichneter und abstrakter Plan wirkt.

Aus diesem Grund klären wir trotz unserer eigenen Arbeiten mit arTec ab, inwiefern sich Funktionen aus unserem System auf v:scout übertragen und damit Benutzerführung und Facility Management kombiniert werden könnten. Die Chancen stehen gut, weil sowohl v:scout als auch CLICAPS über eine XML-Schnittstelle verfügen. Bereits in v:scout realisiert sind Möglichkeiten wie Vergrössern/Verkleinern, Geschossnavigation, 3-D-Darstellung und die Anzeige des Pfads zum gesuchten Standort, die in unserem Applet fehlen, während die von uns unterstützte Mehrsprachigkeit und die Einfärbung der Objekte anhand der Datenwerte ergänzt werden müssten. Anstelle der etwas umständlichen Navigation in den Sachgebieten über Dropdown-Menüs möchten wir wenn möglich den Star TreeII.

Anwendungspotentiale

Die bisherigen Erfahrungsberichte4, 6 zeigen, dass Rauminformationssysteme beim Publikum guten Anklang finden und die Zahl der Standortanfragen an der Auskunft stark sinkt. Erweitert um die Visualisierung von Nutzungs- und Bestandsdaten, lassen sich Rauminformationssysteme auch vom Bibliothekspersonal einsetzen, um stark oder schwach genutzte Fach- und Raumbereiche zu identifizieren. Auch die zeitliche Entwicklung der Nutzung lässt sich damit dokumentieren, z.B. in Form einer Animation. Hilfreich sind sie ebenfalls bei der Platzplanung und beim Verschieben von Bereichen. Dafür müsste eine Kopier-Einfügen-Funktion eingebaut werden, mit der das System für markierte Bereiche den Platzbedarf anzeigt und diese virtuell an einen neuen Standort verschiebt. GIS ist deshalb vor allem für Bibliotheken mit Freihandbeständen attraktiv, aber auch für Magazine wäre denkbar, GIS für die Optimierung von Abläufen zu verwenden, z.B. indem häufig genutzte Werke in besser zugängliche Bereiche verschoben werden.

Noch ungelöst ist, wie die Benutzung von Dokumenten innerhalb der Bibliothek – bekanntlich unterscheidet sich da das Nutzungsmuster von den Ausleihen – erfasst werden soll. Bisher waren dafür aufwendige manuelle Zäh- lungen notwendig. Eventuell lässt sich hierfür GIS mit RFID-Technologie kombinieren. Ebenso ungeklärt ist die Frage, wie mit E-Books verfahren werden soll. Soll ihre Nutzung auf virtuelle Sachgebietsräume oder für den Vergleich mit den gedruckten Büchern auf die physischen Bereiche projiziert werden?

GIS findet langsam den Weg in die Bibliotheken, begreiflicherweise, da sie sich schon immer mit Raumfragen beschäftigen mussten. Ihre Erfahrungen werden auch zeigen, ob sie Wegbereiterinnen für weitere Anwendungen in ihren Trägerinstitutionen werden.

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Martin Brändle

Informations­ zentrum Chemie Biologie Pharmazie, ETH Zürich

Abstract

Qui ne connaît pas les infographies utilisées par la télévision et les médias en ligne, afin de représenter les résultats de votations ou d’élections sur une carte, autant que possible au fur et à mesure de la réception de ces résultats, pour communiquer les répartitions ou les tendances d’un seul coup d’œil? Ces graphiques sont des produits de systèmes d’information géographiques (GIS), qui permettent d’administrer, analyser et présenter des données spatiales. Dès le milieu des années 1990, les bibliothèques publiques générales de Grande-­Bretagne et des USA ont reconnu l’utilité des données démographiques géocodées et des données d’exploitation pour les relevés de l’utilisa­ tion des sols et la planification de l’aménagement du territoire, ainsi que pour la com­munication de la situation existante et la comparaison des services disponibles. La technologie GIS n’est pas seulement adéquate pour le traitement de données géogra­phiques à large échelle et la production d’information cartographique au niveau du pays, elle est également tout à fait appropriée à toute petite échelle, pour des bâtiments ou des locaux. Les systèmes d’information spatiale dérivés des GIS peuvent d’une part être utiles comme système directeur pour l’utilisateur, d’autre part, ils peuvent être utilisés dans la gestion des bâtiments pour l’analyse et la représentation de données économiques, les inventaires et la planification des espaces. Les premières tentatives d’utiliser les GIS à cet effet dans des bibliothèques ont été effectuées par Jingfeng Xia. Depuis que certains systèmes GIS interactifs pour bibliothèques sont bien en vue sur le web, ce sujet a suscité un grand intérêt dans le domaine I+D. Le système électronique directeur v:scout de la société arTec, introduit à la bibliothèque universitaire de St­Gall en septembre 2008, et à la bibliothèque universitaire de Bâle en juin 2009, et le système développé par le centre d’information Chimie Biologie Pharmacie de l’EPF Zurich pour l’affichage interactif des états et des utilisations sur un plan d’étage, ont été très bien reçus. Quelles sont les possibilités d’utilisation qui s’ouvrent pour les bibliothèques, le rapport entre les coûts et les bénéfices, et la possibilité de combiner les systèmes di­ recteurs pour utilisateurs et la gestion des bâtiments. Cette contribution essaie de ré­pondre à ces questions, en se fondant sur l’exemple du centre d’information.