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2013/4 Linked Open Data und Big Data

Wissensvorsprung statt Datenflut mittels Web Monitoring und Web Intelligence

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Im Rahmen des WISDOM (Web Intelligence for Improved Decision Making) Projekts werden an der HTW Chur Methoden zur intelligenten und automatischen Extraktion von entscheidungsrelevanter Information aus Onlinequellen entwickelt. Der folgende Artikel gibt einen Überblick über die Entwicklung von Web Monitoring und Web Intelligence und die potenziellen Einsatzmöglichkeiten dieser Technologien bei der Optimierung von Entscheidungsprozessen und Ressourcenallokationen in Organisationen.

Unter Web Monitoring versteht man die gezielte Überwachung von Onlinequel­len, um aus der Häufigkeit und Art der Berichterstattung Rückschlüsse auf die Performance von Unternehmen, Perso­nen oder Produkten ziehen zu können. Von Web Intelligence spricht man hin­gegen, wenn die primäre Zielsetzung auf der Optimierung von Entschei­dungsprozessen anhand des online ver­fügbaren Datenmaterials liegt.

Der Begriff der «Web Intelligence» wur­de von Zhong u.a. im Jahre 2000 ge­prägtN. Zhong, J. Liu, Y. Y. Yao, and S. Ohsuga, «Web Intelligence (WI)», in Proceedings of the 24th Annual International Computer Software and Applications Conference (COMPSAC 2000), pp. 469–470, 2000.. Dieses neue Forschungsgebiet beschäftigt sich damit, wie man das im Web und in sozialen Medien verfügbare Datenmaterial auszuwerten und für die Entscheidungsfindung in Unterneh­men und Organisationen nutzt.

Der Ausgangspunkt – Business Intelligence 

Vorbild dafür war ein wesentlich älteres Teilgebiet der Informatik – nämlich das Gebiet der «Business Intelligence». Ur­sprünglich wurde der Begriff der «Busi­ness Intelligence» von LuhnH. P. Luhn, «A business intelligence system», IBM J. Res. Dev., vol. 2, no. 4, pp. 314–319, 1958.ver­wendet, 1990 jedoch von Howard Dressner wieder aufgegriffen und im Folgenden von Bera­tungsfirmen wie zum Beispiel Gartner verwendet, um Technologien zu beschrei­ben, welche auf strukturierte Unternehmensdaten zugreifen, um Prozesse im Unternehmen, und somit in weiterer Fol­ge deren Profitabilität, zu optimieren.

Eines der bekanntesten Beispiele für den erfolgreichen Einsatz von Busi­ness Intelligence stammt aus dem im Jahr 2004 von Anderson und Lehmen veröffentlichte Artikel (Management Information Science Quarterly), wel­cher beschreibt, wie Continental Air­lines durch den Einsatz von Business Intelligence die Kundenzufriedenheit und Profitabilität ihres Angebotes durch organisatorische Verbesserun­gen, welche basierend auf internen Un­ternehmensdaten umgesetzt wurden, erheblich steigern konntenR. Anderson-Lehman, H. J. Watson, B. H. Wixom, and J. A. Hoffer, «Continental Airlines Flies High with Real-time Business Intelligence» MIS Q. Exec., vol. 3, no. 4, pp. 163–176, 2004. . 

 – Continental nutzte historische Fluggast­ und Umsatzdaten, um dyna­mische Auslastungsprognosen zu er­stellen und somit besonders gefragte und profitable Strecken an den betrof­fenen Tagen verstärkt anzubieten.

– Anhand von automatischen Analy­sen erstellte die Fluglinie Kundenpro­file, mit denen die wichtigsten Kun­den identifiziert wurden. Im Falle von Ver­spätungen wurden diesen eine schriftliche Entschuldigung und in manchen Fällen auch eine kostenlose Probemitgliedschaft im «President Club» von Kontinental angeboten. In Folge buchte diese besonders profi­table Kundengruppe in den kom­menden 12 Monaten um 8% mehr Flüge als in den Jahren zuvor.

Neben diesen beiden Massnahmen wurden noch weitere Optimierungen in den Kundenbeziehungen und im Angebot von Continental vorgenom­men, welche in Summe zu einem Umsatzplus von mehr als 13 Millionen US­$, zu einer besseren Abdeckung der Kundenbedürfnisse und somit zu zu­ friedeneren Kunden führten. 

Der nächste Schritt – Web Intelligence

Web Intelligence, das von einigen Au­toren auch gerne als Business Intelli­gence 2.0 bezeichnet wirdH. Chen, R. H. L. Chiang, and V. C. Storey, «Business Intelligence and Analytics: From Big Data to Big Impac.», MIS Q., vol. 36, no. 4, pp. 1165–1188, 2012., erweitert die Methoden der Business Intelligence auf das Web und auf soziale Medien. Im Gegensatz zu Unternehmensdaten­banken, Bibliotheken oder den inter­nen Archiven grosser Organisationen liegt Information hier fragmentiert – sprich über verschiedenste Quellen und Systeme verteilt – vor. Das er­schwert die automatische Extraktion von Wissen. Noch komplizierter wird dies durch den Siegeszug von sozialen Medien. Der Kontext einer Nachricht ist dort ungleich schwerer erkennbar und die Verwendung von Slang, Dialekten oder Begriffen aus anderen Sprachen zwingen existierende Analysetools oft in die Knie.

Daher werden in der Praxis Tech­nologien aus den Bereichen des Natural Language Processings und der künstli­chen Intelligenz mit semantischen Technologien und sprachspezifischen Heuristiken kombiniert, um zu besse­ren Ergebnissen zu kommen.

Ein weiteres Problem sind die immen­sen Datenmengen, welche für solche Analysen relevant sein können. Diese erfordern den Einsatz von «Big Data»­ Technologien, um die verfügbaren Datenvolumina in einer vernünftigen Zeit abarbeiten zu können. Auch sind die erhaltenen Analyseergebnisse oft mit einer gewissen Schwankungsbreite versehen, da diese auf aggregierten Meinungen, Einzelaussagen und der Medienberichterstattung beruhen. Die­se Einschränkungen müssen von Analysten hinreichend berücksichtigt wer­den, um die mannigfaltigen Analyse­ möglichkeiten seriös zu nutzen und um die Ergebnisse korrekt zu interpretie­ren. Hierfür ist ein umfangreiches Me­thodenwissen und eine fundierte informationswissenschaftliche Ausbildung unerlässlich. In der englischsprachigen Literatur wird das entsprechende Be­rufsbild gerne unter dem Begriff «Big Data Scientists» subsumiert.

Bereits jetzt setzen viele Organisa­tionen Web Intelligence ein, um ihre öffentliche Reputation, Marketingkam­pagnen und Sponsoringaktivitäten zu überwachenA. Scharl, A. Hubmann-Haidvogel, M. Sabou, A. Weichselbraun, and H.-P. Lang, «From Web Intelligence to Knowledge Co-Creation: A Platform for Analyzing and Supporting Stakeholder Communication», IEEE Internet Computing, vol. 17, no. 5, pp. 21–29, 2013.. Die folgenden Beispiele sollen einen Eindruck von weiteren in­ novativen Anwendungsmöglichkeiten dieser Technologien vermitteln.

Kundeninduzierte Produktverbesserungen 

Viele Unternehmen setzen auf Exper­tenpanels, Fragebogenanalysen und die Innovationskraft ihrer Mitarbeiter, um ihre Dienstleistungen und Produkte weiterzuentwickeln.

Mittels Web Intelligence besteht die Möglichkeit, aktuelle Markttrends und Kundenbedürfnisse in diesen Prozess zu integrieren. Trendanalysen erlauben es, Rückschlüsse auf geschäftsrelevante The­men wie zum Beispiel Trendsportarten (Tourismus), neue Smartphones (Elektro­nik, Handel) oder Gesundheitstrends (pharmazeutische Industrie) zu ziehen und diese zu bewerten. Zudem lässt sich feststellen, ob Themen beim Kunden positive oder negative Assoziationen wecken und welche Produkt­ bezie­hungsweise Serviceeigenschaften für diese relevant sind. So kann man zum Beispiel automatisch erkennen, dass Kunden mit einem bestimmten Mobilte­lefon Eigenschaften wie «hochwertig», «leicht bedienbar» und «schönes Design» verbinden, aber auch, dass die Konkur­renz als innovativer wahrgenommen wird und dass für die Benutzer eine aus­gezeichnete Usability oft wichtiger ist als so manches technisches Detail.

Noch effektiver sind Techniken, in denen man Web Intelligence einsetzt, um anhand von Kundenfeedback zu eigenen und konkurrierenden Produk­ten gezielt jene Produktverbesserun­gen zu identifizieren, welche die Attrak­tivität des eigenen Produktportfolios besonders steigern. Diese Technik mi­nimiert teure Fehlinvestitionen in Pro­dukteigenschaften, die für den Kunden gar nicht oder nur wenig relevant sind, und erlaubt es, den Prozess der Pro­duktentwicklung optimal an die Kun­denbedürfnisse anzupassen.

Web Intelligence für Wirtschaftsinformationen 

Das von der HTW Chur gemeinsam mit der Orell Füssli Wirtschaftsinforma­tionen AG entwickelte WISDOM-­Pro­jekt beschäftigt sich damit, wie man Web Intelligence für die Extraktion von entscheidungsrelevanten Wirtschaftsin­formationen nutzen kann.

So werden im Projekt automatisch Beziehungsnetzwerke zwischen Unter­nehmen und Führungspersonen extra­hiert, anhand welcher sich simulieren lässt, wie sich die wirtschaftlichen Stär­ken und Schwächen einzelner Partner auf andere Unternehmen auswirken.

Durch die automatische Erkennung von semantischen Zusammenhängen und Assoziationen wird es möglich, Trends zu antizipieren und Wahrneh­mungsprofile für Personen, Produkte und Unternehmen zu ermitteln.

Im Rahmen von WISDOM wird auch die Interaktion zwischen wirt­schaftlich relevanten Kennzahlen und den extrahierten Informationen unter­sucht. Dadurch wird es möglich, den Wert dieser Informationen für die Ent­scheidungsfindung abzuschätzen und verlässliche Modelle zu entwickeln, welche eine optimale Zuweisung von Unternehmensressourcen und eine durch entsprechendes Datenmaterial unterstützte Entscheidungsfindung im Unternehmen ermöglichen.

Die Entwicklung der dem WISDOM­ Projekt zugrunde liegenden Infra­struktur, mit Technologien aus den Bereichen Natural Language Proces­sing, künstliche Intelligenz und se­mantische Technologien, erfolgt durch die HTW Chur in Kooperation mit einem internationalen Forschungsteam von der MODUL University Vienna und der Wirtschaftsuniversität Wien. Die entsprechenden Tätigkeiten wer­den u.a. von der Europäischen Union im Rahmen des 7. Rahmenprogram­mes, der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) und dem österreichischen FIT­IT­-Programm gefördert. Bei der Weiterentwicklung und Anwendung dieses Technologieportfo­lios auf wirtschaftliche Fragestellun­gen spielt die HTW Chur innerhalb des Teams eine Vorreiterrolle.

Weiterführende Information

– WISDOM-Projekt: www.htwchur.ch/wisdom 

– Schweizerisches Institut für Informationswissenschaft (SII): www.informationswissenschaft.ch

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Anton Weichselbraun

SII Schweiz. Institut für Informationswissenschaft

Abstract

Des méthodes d’extraction intelligente et automatique d’informations pertinentes pour la prise de décision à partir de sources en ligne sont développées actuellement à la HTW Coire dans le cadre des projets WISDOM (Web Intelligence for Improved Decision Making). Cet article donne un aperçu du développement du monitoring de sites web (Web monitoring) et du Web intelligence ainsi que les possibilités d’utilisation de ces technologies pour optimiser les processus de décision et les allocations de ressources dans les organisations.