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2019/1 Zielgruppen

Rezension: Warum und wie sich Archive bei ihrer internen Zielgruppe vermarkten sollten

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Eine Masterarbeit bricht eine Lanze für internes Marketing für Archive. Die systematische Implementierung von internem Marketing bringe Vorteile sowohl für das Archiv als auch für die Organisation, in die es eingebettet ist, und trage massgeblich dazu bei, die Position des Archivs zu stärken.

Sich vermarkten? Das liegt vielen Archiven fern. Marketing wird oftmals mit Werbung und Verkauf von materiellen kommerziellen Produkten verbunden, für Archivarinnen und Archivare ist es deshalb naheliegend, Marketing jegliche Relevanz für die eigene Arbeit abzusprechen. Die Apposition «intern» hilft kaum dem entgegenzuwirken, weil der Begriff «internes Marketing» nicht selbsterklärend ist.

Die Sichtweise des Verkaufsförderungsinstrument, bemängelt Elizabeth Morgan in ihrer Masterarbeit, spricht Marketing seinen Wert als ganzheitlichen Ansatz zur Entwicklung von Archivierungsdiensten und deren Bereitstellung für die Nutzerschaft ab. Sie räumt darum im ersten Kapitel erst mal auf mit gängigen Missverständnissen, was Marketing ist und bewirken kann.

Gestützt auf (betriebswirtschaftliche) Fachliteratur vertritt die Autorin den Standpunkt, dass im Mittelpunkt von Marketing die Ermittlung und Erfüllung der Bedürfnisse, Anforderungen und Erwartungen des Marktes, also des Kunden, stehen. Obwohl Archive kein greifbares Produkt auf dem Markt anbieten, erbringen sie Dienstleistungen für ihre Nutzer, die als Produkte angesehen werden sollten. Und die Kernaussagen der Marketingtheorie sind auch auf Dienstleistungen anwendbar. Zudem liege der eigentlich Schwerpunkt des Marketings nicht auf der Mechanik des Verkaufs eines Produkts oder einer Dienstleistung, sondern darauf, festzustellen, was der Kunde will, es zu priorisieren und so viel wie möglich davon zu liefern. Genau das gehöre zur Aufgabe von Archiven.

In ihrer Dissertation plädiert sie dafür, dass institutionelle Archive - sowohl öffentlicher wie privater Trägerschaft - Methoden des internen Marketings einsetzen. Diese Eingrenzung auf «internes Marketing» ist zentral. Wer an Marketing im Archivkontext denkt, sieht in erster Linie wahrscheinlich externes Marketing: Entwicklung von Dienstleistungen für ein Publikum ausserhalb der übergeordneten Institution des Archivs, in der Regel die breite Öffentlichkeit, wobei diese variierend je nach Archiv-Typus in verschiedene Zielgruppen eingeteilt wird. Auch das interne Marketing hat die Entwicklung und Förderung von Dienstleistungen, die den Bedürfnissen seiner Nutzer entsprechen, zum Ziel. Im internen Kontext ist die Zielgruppe jedoch das übergeordnete Organisationssystem des Archivs und seine Stakeholder, sei dies die Verwaltung, das Management und/oder die Mitarbeitenden. Diese erwarten ebenfalls erstklassige Services, die nach kommerziellen Standards bewertet werden.

Internes Marketing ist also ein Mittel, mit dem ein institutionelles Archiv Dienstleistungen zur Unterstützung der Arbeit seiner übergeordneten Organisation entwickeln, erbringen und verbessern kann. Dadurch demonstriert das Archiv ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis und rechtfertigt schlussendlich die Zuweisung finanzieller Ressourcen.

Über mehrere Kapitel der Arbeit erstellt die Elizabeth Morgan einen praktischer Entwurf für ein internes Marketingprogramm, beginnend mit der Erstellung des Marketingplans bis zur Leistungsmessung. Das umschliesst auch, wie Marketinginstrumente und -techniken sinnvoll eingesetzt werden. Dazu macht sie pragmatische Vorschläge zur Entwicklung und Förderung relevanter Dienstleistungen für interne Kunden. 

Als roter Faden ziehen sich durch die Arbeit vier Fallstudien, an denen die theoretischen Grundlagen reflektiert und Berufsleuten bestehende, (mehr oder minder) bewährte praktische Anwendungen aus dem Bereich des internen Marketings aufzeigt. Für die Fallstudien hat Elizabeth Morgan Interviews mit Vertretern von vier institutionellen Archiven, zwei öffentlichen und zwei privaten, geführt. Diese sind:

  • das Parlamentsarchiv des Vereinten Köngisreichs (Parliamentary Archives), das Endarchiv des Parlaments des Vereinigten Königreichs, das auch das Records Management der beiden parlamentarischen Kammern betreut; 
  • das Archiv der London School of Economics and Politic Science, also ein Hochschularchiv; 
  • das Archiv der international agierenden Grossbank HSBC; 
  • das Archiv eines anonym bleiben wollenden Finanzdienstleisters.

Obwohl diese britisch sind, fällt es leicht Parallelen zu Schweizer Archiven zu ziehen. Die Beispiele aus der Praxis dienen Autorin Morgan dazu, die Vorteile aufzuzeigen, welche die Implementierung von internem Marketing sowohl für das Archiv als auch für seine übergeordnete Instanz bringen kann. Dafür müsse das Archiv die Bedürfnisse seiner internen Kunden identifizieren und auf diese fokussieren. So können Services entwickelt und angeboten werden, die das Archiv nachhaltig in die Kernarbeit seiner übergeordneten Organisation einbetten. So stärke der Einsatz von internem Marketing letztlich die Position des Archivs innerhalb seiner Mutterorganisation.


Morgan, Elisabeth, Delivering Value for Money: why and how institutional archives should market themselves to their internal publics, University College London, London, 2010. 

Die gesamte Arbeit kann hier gelesen werden.

Marty Sara 2014

Sara Marty

Sara Marty ist wissenschaftliche Archivarin und Projektleiterin bei archivsuisse in Kehrsatz/Bern. Von 2011 bis Ende 2020 arbeitete sie im Dokumentationszentrum doku-zug.ch, das sie ab 2017 als Geschäftsführerin leitete und 2020 in die Stadt- und Kantonsbibliothek Zug überführte. Von 2015 bis 2022 war sie Chefredaktorin von arbido.

Elle a étudie à Lausanne et obtenu sa Licence ès Lettres en 2004. Quoi qu'elle soit rentrée en Suisse alémanique peu après, elle profite toujours de chaque occasion qui se présente pour aller en Romandie. Après avoir travaillé quelques années en marketing et puis comme journaliste, elle a trouvé sa vocation dans le champ professionnel de l'information documentaire. Von 2012 bis 2014 hat sie das Weiterbildungsprogramm in Archiv-, Bibliotheks- und Informationswissenschaften der Universitäten Bern und Lausanne absolviert und den Titel Master of Advanced Studies in Archival, Library and Information Science (MAS ALIS) erhalten. Ihre MAS-Masterarbeit trägt den Titel «Schweizer Dokumentationslandschaft im Wandel: die Suche nach einem Berufsverständnis».